Stand: 11.11.2014 16:45 Uhr

IKEA: Über die Niederlande nach Luxemburg

von Lutz Ackermann, Anna Orth, Kristopher Sell, Mitarbeit: Bastian Obermayer und Frederik Obermeier
Johan Stenebo © NDR
Johan Stenebo arbeitete zwei Jahrzehnte lang bei IKEA - zuletzt als Spitzenmanager.

Alle Kosten sind ein Übel. Und was sind Steuern anderes als Kosten? So denkt der Unternehmer Ingvar Kamprad, Gründer des Möbelkonzerns IKEA, heute 88 Jahre alt. Johan Stenebo war zwei Jahrzehnte sein treuer Weggefährte, zuletzt Spitzenmanager bei IKEA, bis er kündigte. Stenebo, ein großgewachsener Mann sitzt in einem Café in Hamburg Altona. Er fing in einer IKEA-Filiale in Kaltenkirchen an und half später beim Aufbau von IKEA Hamburg-Stellingen. Heute arbeitet er als Lehrer. "Die Aufgabe für jeden, der bei IKEA ist, lautet: Steuern zu reduzieren, wo er nur kann", sagt Stenebo. Steuern reduzieren - es ist offenbar Teil der DNA des schwedischen Möbelkonzerns. Nur, dass es den schwedischen Möbelkonzern IKEA so gar nicht mehr gibt. Er ist weder schwedisch noch ist es ein einziger Konzern. Und das hat auch mit den üblen Steuern zu tun.

Drei voneinander unabhängige Unternehmensteile

IKEA-Filiale in Altona © NDR
Die Warenhäuser gehören zur IKEA-Gruppe, die von ihrem Umsatz drei Prozent als Lizenzgebühr an Inter IKEA in den Niederlanden überweisen.

Um die Steuertricks des IKEA-Konzerns zu verstehen, muss man zunächst wissen, dass es gleich drei IKEAs gibt, die vollkommen unabhängig voneinander sind: Die IKEA-Gruppe (die Warenhäuser), die Inter IKEA Gruppe (die Patent-Halter) und die Ikano-Gruppe (die Bank). IKEA, wie wir Kunden es kennen, als gelb-blauen Kasten am Stadtrand, dort wo es Billy oder Pax zu kaufen gibt, ist das erste IKEA. Die IKEA-Gruppe betreibt heute 315 Warenhäuser weltweit und hat - das vermeldet ihre Presseabteilung stolz - weltweit einen durchschnittlichen Ertragssteuersatz von 18,9 Prozent. Das kann sich sehen lassen, denn in den meisten Ländern, in denen IKEA seine größten Umsätze macht, liegt der Satz weit höher. In Deutschland beispielsweise bei etwa 30 Prozent, in Europa durchschnittlich bei 25 und in den USA bei 35 Prozent. Man könnte fragen: IKEA, wie machst Du das? Das schwedische Staatsfernsehen berichtete bereits 2011 ausführlich über die Tricks zur Steuervermeidung. Die Luxemburg-Leaks-Dokumente offenbaren jetzt erstmals detaillierte Zahlen.

Für einen dieser Tricks kommt nun der zweite IKEA-Konzern ins Spiel. Die Inter IKEA Gruppe. Bei jedem Einkauf, den wir bei IKEA tätigen, gehen drei Prozent des Umsatzes zu einer Tochter von Inter IKEA, zur Inter IKEA Systems B.V. im niederländischen Delft. Die Gesellschaft hat seit 1983 alle Rechte an der Marke IKEA übertragen bekommen, das Logo, die Designs und die Baupläne. Dafür kassiert Inter IKEA Systems von allen Filialen eine sogenannte Franchise-Gebühr. Deshalb prangt auf allen IKEA-Waren der Schriftzug von Inter IKEA Systems.

Lizenz-Gebühren schmälern Gewinn – und drücken die Steuern

Die drei-Prozent-Gebühr schmälert zunächst einmal den Gewinn der IKEA-Filialen, auch in Deutschland - und hat den angenehmen Effekt, dass hier weniger Steuern gezahlt werden müssen. Die Gewinne landen stattdessen in steuerlich günstigeren Ländern: Niederlande, Luxemburg, Liechtenstein. Drei Prozent des Umsatzes. Klingt wenig, doch bei den Milliarden-Umsätzen, die IKEA jedes Jahr weltweit macht, ist das eine Menge Geld. In 2013 machte IKEA in Deutschland 3,99 Milliarden Umsatz, demnach müssten etwa 119,7 Millionen Euro in den Niederlanden gelandet sein, rund 855 Millionen Euro müssten es aus den Filialen weltweit gewesen sein. Rechnet man mit einem durchschnittlichen Ertragssteuersatz von 30 Prozent , so wären laut Lorenz Jarass, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Rhein-Main und Sachverständiger des Bundestages, dem deutschen Fiskus so rund 36 Millionen Euro entgangen. Das Niederländische Steuerrecht sieht vor, dass Einkünfte aus Patenten mit nur fünf Prozent besteuert werden. Dies wären im Falle der Zahlungen von IKEA Deutschland gerade mal fünf Millionen, also rund 30 Millionen Euro weniger. Fast überflüssig zu erwähnen, dass das natürlich alles legal ist und dass Inter IKEA sowie IKEA Wert auf die Feststellung legen, dass sie sich an Recht und Gesetz halten und trotzdem viele Millionen Euro an Steuern zahlen.

Holding in Luxemburg zahlt kaum Steuern

Doch wohin nun, IKEA, mit Deinem ganzen Geld? Dafür gibt es die Inter IKEA Holding in Luxemburg. Dort sind Holding-Gesellschaften unter bestimmten Bedingungen von Körperschaftsteuer auf Dividenden befreit, auch von der Steuer auf Veräußerungsgewinne sowie von der Quellensteuer auf Dividendenausschüttungen. Die Luxemburg-Leaks-Dokumente geben einen Einblick wie die "Besteuerung" der Luxemburger Inter IKEA Holding für die Jahre 2010 und 2011 aussah. Die Inter IKEA Holding bezieht den Großteil Ihrer Gewinne laut Geschäftsbericht von der Inter IKEA Systems aus den Niederlanden - die mit der drei-Prozent-Gebühr. Die Dividenden von dort werden nicht besteuert.  Insgesamt weist die Inter IKEA Holding in Luxemburg in 2011 einen Profit von einer 365 Millionen Euro aus. Steuern: 529.520 Euro, davon 1.575 Ertragssteuern - und die auch nur, weil es ein Mindestsatz ist. Alleiniger Shareholder der Inter IKEA Holding ist am Ende die Interogo Stiftung in Liechtenstein, in der laut Recherchen des schwedischen Fernsehens die Familie von Firmengründer Ingvar Kamprad das Sagen hat.

Besonderer Vorgang im Jahr 2010

Einen besonderen Vorgang zeigen die Dokumente im Jahr 2010: Damals musste die Inter IKEA Holding ihren Status als sogenannte Holding 1929 aufgeben, einstmals eine besonders steuerbegünstigt Luxemburger Gesellschaftsform. Zuvor hatte die EU-Wettbewerbskommissarin gegen das kleine Luxemburg ermittelt, weil sie die steuerliche Begünstigung der Holding 1929 für illegale Beihilfe erachtete. Auch die EU-Finanzminister waren schon zu dem Schluss gekommen, dass die Steuerbefreiung für von den 1929er-Holdings ausgeschüttete Dividenden "eine schädliche steuerliche Maßnahme im Sinne des Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung" darstellt. Luxemburg gab unter dem Druck nach, kam den Ergebnissen der Ermittlung zuvor und schaffte die Gesellschaftsform zum Ende des Jahres 2010 ab. Allerdings nicht ohne die Zusicherung, dass alle bisherigen Steuervergünstigungen für die Inhaber von Holding-1929-Gesellschaften legal bleiben. Die Vergünstigungen mussten nicht zurück gezahlt werden. Hätte die Kommission das Ermittlungsverfahren beendet und illegale Beihilfe festgestellt, hätte das geschehen müssen. Premier- und Finanzminister damals war Jean-Claude Juncker, der heutige EU-Kommissionspräsident. 

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Vom 1929er-Holding-Aus profitiert

Ein geschickter Schachzug von dem offenbar auch IKEA profitierte.  Am 11. November 2009 schreiben die Unternehmensberater von PricewaterhouseCoopers im Auftrag von Inter IKEA an die Luxemburger Finanzverwaltung. Gleich mehrere komplexe Umstrukturierungen, darunter die Auflösung der Holding 1929 und Umwandlung der Inter IKEA Gesellschaftsform, werden vorgelegt. Der Vorgang wird noch am gleichen Tag von den Luxemburger Beamten genehmigt. Im letzten Geschäftsjahr, in dem die Vergünstigungen von Holding 1929 noch gültig waren, verzeichnet Inter IKEA einen außerordentlichen Profit: Über 2,5 Milliarden Euro. Steuern: 48.000 Euro. Wirtschaftsprüfer, denen der NDR die Bilanz zur Beurteilung vorlegte, zeigten sich begeistert. "Den Trick würde ich auch gerne kennen", sagt einer. Inter IKEA erklärt auf Anfrage, der Milliardenprofit sei ordnungsgemäß versteuert worden - wie alle Einkünfte der Gruppe zu jeder Zeit.

"Stets im Einklang mit Steuergesetzen und Vereinbarungen"

Auch ein Sprecher der Unternehmensberater von PricewaterHouseCoopers (PwC) legt Wert auf die Feststellung, dass jede Beratung und Unterstützung "stets im Einklang mit den jeweils geltenden nationalen, europäischen und internationalen Steuergesetzen und Vereinbarungen steht". Einem Schreiben von der Unternehmensberater von PricewaterHouseCoopers (PwC) an Inter IKEA zufolge, das an den die Steuererklärung 2010 angeheftet ist, sind übrigens selbst die 48.000 Euro eigentlich zu viel. Denn tatsächlich kamen die PwC-Berater nur auf eine geschätzte Steuerlast von 4.800 Euro. Das ist selbst Luxemburg zu wenig. 48.000 Euro war in diesem Fall der Mindeststeuersatz, den die Luxemburger Behörden vorgeben. Aus Sicht von Ingvar Kamprad könnte man sagen: ärgerlich.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama - die Reporter | 11.11.2014 | 21:15 Uhr

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