Läuft das Konzertleben in Japan wie vor der Pandemie?
Die NDR Radiophilharmonie reist derzeit durch Japan. Läuft das Konzertleben wie vor der Pandemie? Und wie sind die japanischen Musikerinnen und Musiker durch diese Zeit gekommen?
Ivo Dudler, Solo-Hornist der NDR Radiophilharmonie, und Shotaro Harakawa, Hornist im Japan Philharmonic Orchestra, beugen sich über ein Notenheft. Sie haben sich für eine knappe Stunde zum Duo-Spielen verabredet. Kennengelernt haben sich die beiden in Berlin. Harakawa konnte dort mit einem Stipendium für ein Jahr studieren und war Kommilitone von Dudler. "Ich habe natürlich gleich an ihn gedacht, als wir erfahren haben, dass es mit der Radiophilharmonie nach Japan gehen soll", sagt Dudler.
Pandemie: Sushi-Bringdienst statt Konzertauftritte
Auch in Japan habe das Konzertleben erst langsam wieder Fahrt aufgenommen. Zu Beginn der Pandemie seien die Konzertsäle über Monate zugeblieben, erzählt Shotaro Harakawa. "Damals habe ich bei Sushi Delivery gearbeitet." Der Nebenjob beim Bringdienst war aber nicht die einzige Einnahmequelle, er habe von seinem Orchester jeden Monat ein Honorar bekommen. Das zusätzliche Geld war sehr willkommen, denn Harakawas Frau ist freischaffende Oboistin. Die Unterstützung von der Regierung für Freischaffende belief sich in der Pandemie laut Harakawa auf maximal eine Million Yen jährlich - etwa 7.000 Euro. Zum Vergleich: Ein Ticket für die Konzerte der NDR Radiophilharmonie in Tokio kostet zwischen 55 und 125 Euro.
Inzwischen finden in Japan wieder normale Konzerte statt. Und auch Harakawas Leben hat sich normalisiert. Das Japan Philharmonic Orchestra hat wieder regelmäßig Auftritte. Eine riesige Erleichterung für Harakawa: "Musik, das ist mein Leben". Und auch seine Frau habe wieder "viele Studenten und spielt im Orchester als Aushilfe". Schon ist die Zeit für die Freunde um, die nächsten Konzerte stehen an.
Teile des Publikums fehlen
Von Tokio geht es für die NDR Radiophilharmonie weiter nach Niigata. Der Saal, die ganze Ryutopia Concert Hall, ist ein Schmuckstück. Gut gefüllt ist er, aber nicht ausverkauft. Dabei ist es hier das erste Konzert eines internationalen Orchesters seit Beginn der Pandemie.
"Endlich können wir wieder Künstler nach Japan einladen", sagt Toshitake Nakamura, Präsident der klassischen Musik-Agentur Tempo Primo. "Aber wir stellen fest, dass etwa 20 Prozent des Publikums seit der Pandemie noch nicht wieder in den Konzertsaal zurückgekehrt sind - vor allem ältere Menschen." Eine schwierige Situation, denn "wenn wir die Ticketpreise erhöhen, würde kein Publikum mehr kommen. Das müssen wir sorgfältig im Blick haben."
Große Namen ziehen auch in Japan - und Künstlerinnen und Künstler, die eine starke Verbindung zu Japan haben, wie der Pianist Gerhard Oppitz, einer der Solisten der Tournee. "Er hat früher Klavier im Fernsehen unterrichtet", erzählt Nakamura. "Deswegen kommt das Publikum zu seinen Konzerten."
Ivo Dudler packt inzwischen hinter der Bühne schon wieder sein Horn ein. Auf zur nächsten Etappe. Aber dieses Konzert in Niigata wird ihm in Erinnerung bleiben: "Das war eine tolle Atmosphäre und man hat dem schnellen Applaus angehört, dass sie doch sehr begeistert waren. Dann haben sie sich offenbar umso mehr noch gefreut, dass wieder Gäste da sind."