Ein Spektakel: "Carmen" aus der Staatsoper Hamburg im Video
Mit einer polarisierenden Inszenierung von Georges Bizets Oper "Carmen" ist die Staatsoper Hamburg am 17. September in die neue Saison gestartet.
Schrill und bunt bringt Regisseur Herbert Fritsch die "Carmen" von Georges Bizet an der Staatsoper Hamburg auf die Bühne. Die Eröffnungsinszenierung zur neuen Saison polarisiert. Auf NDR.de können Sie die Aufführung in zwei Teilen sehen.
Carmen: Konflikt zwischen Freiheit und Liebe
Die Hauptrolle übernimmt die Mezzosopranistin Maria Kataeva. "Die Carmen-Figur ist nicht nur Femme fatale in dieser Inszenierung", sagt sie, "sie kann auch witzig sein." An ihrer Seite Kostas Smoriginas als Escamillo und Tomislav Mužek als Don José. Am Pult steht Yoel Gamzou.
Carmen, die hoch attraktive, selbstbewusste Fabrikarbeiterin aus Sevilla, wickelt die Männer um den Finger. Der Sergeant Don José liegt ihr zu Füßen, sie aber fühlt sich nicht frei an seiner Seite. Ganz anders erlebt sie das mit dem Stierkämpfer Escamillo. Ein Konflikt, in dem Carmen letztlich getötet wird. Der packende Stoff nach Prosper Mérimées Novelle und die Hits in der Partitur von Bizet machen die "Carmen" zu einer der beliebtesten Opern überhaupt.
Als Leisetreter ist Regisseur Herbert Fritsch wirklich nicht bekannt. Er strapaziert, wie er sagt, gern Klischees, auch in der allerersten Oper, die er als Kind gesehen hat: Georges Bizets "Carmen". Das sorgte zur Premiere am 17. September an der Hamburgischen Staatsoper vor allem unmittelbar nach der Pause für eine sehr gereizte Stimmung im Publikum. Einige Zuschauer machten ihrem Unmut lautstark Luft, sprachen von Kasperletheater und erregten sich über Toreros in rosa Strapsen, eine Hängebrücke vor Gebirgslandschaft und jede Menge Perücken.
Buhrufe für Herbert Fritschs kunterbunte "Carmen"-Inszenierung
Fritsch selbst kam am Ende dennoch ganz ohne Buhrufe aus dem Saal. Sein Trick: Er ließ dem Produktionsteam zur Entgegennahme der Proteste den Vortritt und erschien erst etwas später persönlich - und zwar in Torero-Kluft -, sodass die Buhrufer entweder schon gegangen waren oder ihn im Getümmel nicht gleich erkannten. "Ich dachte schon, dass es emotionale Reaktionen geben wird. Ich bin ja ein Torero und habe indirekt reichlich mit dem roten Tuch gewedelt während der Aufführung. Insofern habe ich mit nichts anderem gerechnet", sagt Fritsch.
Frisch genesen von einer Herzoperation, hätte der als Regisseur viel gefragte Fritsch eigentlich noch gar nicht wieder arbeiten dürfen, wie er sagt. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass diese Inszenierung gar nicht so klamaukig und provokant ist, wie es manche im Saal empfanden. Im Grunde lässt er die Sänger gewähren, allerdings in den in der Tat grellen Kostüm von José Luna und dem kunterbunten Showlicht von Carsten Sander, der gern mit Verfolgern und Disco-Effekten spielt.
Eine Carmen mit Diskussionspotenzial
Nun ist "Carmen" wirklich ein Boulevardstoff, schwebte George Bizet doch ein Fantasie-Spanien vor, zusammengesetzt aus Folklore, Kitsch, Tourismuswerbung und Stierkampfdramatik. Eine wilde Mischung, die eine entsprechend wilde Optik durchaus verträgt. So ist der Abend insgesamt so poppig-grell wie beabsichtigt.
Amüsant ist es trotzdem, was vor allem an der Russin Maria Kataeva in der Titelrolle liegt. Sie tanzt und klappert mit den Kastagnetten, als ob ihre Vorfahren seit mindestens drei Generationen in Andalusien zu Hause waren. Herrlich lasziv stakst sie in hautengen Hosen und gelb-orangefarbenen Stiefeln durch die Landschaft, trägt eine absurd überladene Sevilla-Tracht und streichelt ihren Pelz mit sinnlicher Energie - halb Satire, halb Erotik. Eine Carmen mit Diskussionspotenzial.