Stand: 14.04.2015 12:41 Uhr

Der letzte Kampf um die "Festung" Uelzen

Die Stadt Uelzen ist im Zweiten Weltkrieg ein wichtiger Knotenpunkt der Bahnverbindungen zwischen Berlin, Bremen, Hamburg und Hannover. Nach schweren Luftangriffen werden zum Kriegsende KZ-Häftlinge aus Neuengamme in die Stadt geholt. Sie müssen für die Nazis die Gleise reparieren und Bombenkrater stopfen. Mitte April 1945 stehen die Briten vor Uelzen. Die Häftlinge können ihre Befreier schon hören. Aber statt zu kapitulieren, ernennt Kreisleiter Heinrich Schneider Uelzen zur "Festung". "Die Stadt wird bis zum letzten Mann verteidigt", lautet sein Befehl. Es entbrennt ein erbitterter Häuserkampf.

Das Elend der Zwangsarbeiter

Bereits seit Februar 1945 ist der Güterbahnhof von Uelzen komplett zerstört. Als holländische Zwangsarbeiter das Gelände zum erstem Mal betreten, fällt es ihnen schwer, ihre Freude über die Verwüstung zurückzuhalten: "Sehr gut Tommys, sehr gut gezielt. Wir zählen zwölf Lokomotiven - völlig zerstört. Weitere lange Züge - komplett zertrümmert", gibt einer der Zwangsarbeiter später zu Protokoll. "Keine einzige Schiene liegt an ihrer Stelle und sie ragen viele Meter hoch in die Luft." Aber die Freude darüber dauert nur kurz. In Berichten, die Dietrich Banse von der Geschichtswerkstatt Uelzen ausgewertet hat, schildern die Holländer auch, die Arbeit sei reine Sklaverei. Wer nicht schnell genug arbeitet, riskiere Stockschläge der Wachleute.

Deutsche Gefangene werden zu Bewachern

Die Stadt Uelzen wird für die Arbeiten zum Außenlager des KZ Neuengamme ernannt. Banse berichtet, hier arbeiten zu dieser Zeit keine Juden. Die Gefangenen sind in erster Linie Nord- und Osteuropäer. Auch Deutsche sollen unter den Zwangsarbeitern sein. Sie wurden für Diebstahl oder ähnliches inhaftiert. Manche von ihnen besitzen das Privileg, zu Aufpassern zu werden. Aus den Berichten der Holländer geht hervor, wenn sie die anderen Gefangenen nicht hart genug antreiben, werden sie selbst von den SS-Männern verprügelt.

Abtransport vor der Befreiung

Mitte April rücken die britischen Bodentruppen bis an die Stadtgrenze heran. Immer seltener müssen die Zwangsarbeiter im Freien arbeiten. Manche Aufseher lassen durchblicken, dass die Stadt bald eingenommen sei. Möglicherweise werde sie sogar kampflos übergeben. Aber dann wird die Stadt zur "Festung". Im Häuserkampf wird Uelzen nahezu vollständig zerstört. Am 17. April - einen Tag, bevor die Briten Uelzen einnehmen - werden die Zwangsarbeiter in Güterwaggons gesperrt und aus der Stadt gebracht.

Tod in der Ostsee

Dietrich Banse hat nachgeforscht, was mit vielen von ihnen geschehen ist. Nach einer kurzen Zwischenstation im Stammlager Neuengamme, wird ein Großteil der Gefangenen an die Ostsee gebracht und auf das Passagierschiff "Cap Arcona" geschickt. Am 3. Mai 1945 sterben Hunderte Zwangsarbeiter aus Uelzen beim versehentlichen Beschuss des Schiffes durch britische Flugzeuge. Die Zwangsarbeiter wurden "um ihre Freiheit betrogen", sagt Banse. "Viele von ihnen mussten dann auch noch mit dem Leben bezahlen."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | 20.04.2015 | 11:20 Uhr

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