Die Geschichte der RAF: Morde und Bombenanschläge

Stand: 27.03.2024 11:25 Uhr

Ihre Ursprünge der RAF liegen in der 68er-Bewegung. Dann entwickelt sich die Rote Armee Fraktion zur brutalsten Terrorgruppe der Bundesrepublik. Nach fast 30 Jahren löst sie sich 1998 auf. Ex-Mitglieder werden weiter gesucht. Daniela Klette wurde Ende Februar festgenommen.

Die Rote Armee Fraktion (RAF) gründet sich im Frühjahr 1970 um Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin. Einige Medien bezeichnen die Gruppe daher zunächst als Baader-Meinhof-Bande. Die Wurzeln der RAF reichen in die Studentenbewegung der späten 60er-Jahre, ihre exakte Verbindung ist jedoch unter Historikern umstritten. Der Name Rote Armee Fraktion dürfte als Provokation gemeint sein. Wie sehr sich die Gruppe als Ableger der sowjetischen Armee sieht, bleibt offen. Dass der Name für Stärke und revolutionäres Potenzial steht, ist eindeutig.

Als zentralen Begriff ihres Selbstverständnisses verwendet die RAF "Stadtguerilla". Damit rückt sie sich in die Nähe revolutionärer Vereinigungen in Lateinamerika. Ihr gemeinsames Ziel: Veränderung des politischen Systems durch eine kleine Gruppe - auch mit Gewalt.

3. April 1968: Kaufhausbrand in Frankfurt am Main, Einsatzkräfte der Feuerwehr sichten die Schäden. © picture-alliance / United Archiv
AUDIO: Wie kam die Gewalt zur RAF? (2012) (3 Min)

Erste Banküberfälle und Bombenanschläge der RAF

Schnell wird deutlich, dass die RAF auch Tote in Kauf nimmt, um ihre Ziele zu erreichen. Erstes Opfer wird 1971 der Hamburger Zivilfahnder Norbert Schmid, es folgen ein Polizist aus Kaiserslautern und im März 1972 der Leiter einer Sonderkommission der Hamburger Polizei, Hans Eckhardt. Nach einer Serie von Raubüberfällen auf Banken verübt die RAF im Mai 1972 den ersten Bombenanschlag: auf das Hauptquartier der US-Armee in Frankfurt am Main. Kurz danach gibt es weitere Anschläge unter anderem auf das Gebäude des Axel-Springer-Verlages in Hamburg und das europäische Hauptquartier der US-Armee in Heidelberg. Die Polizei löst eine Großfahndung aus und nimmt innerhalb weniger Monate zahlreiche führende RAF-Terroristen fest, darunter die Gründungsmitglieder Baader, Meinhof und Ensslin.

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Der Stammheim-Prozess: Die RAF-Terroristen vor Gericht

1975 beginnt ihr Prozess in einem eigens errichteten, hoch gesicherten Gerichtsgebäude in Stuttgart-Stammheim. Daran nimmt als Wahlverteidiger der Angeklagten unter anderem der spätere Bundesinnenminister Otto Schily teil. Im Gerichtssaal erklärt er: "Was hier in diesem Verfahren stattfindet, kann man nicht anders benennen als die systematische Zerstörung aller rechtsstaatlichen Garantien." Damit spielt er darauf an, dass das Verfahren von zahlreichen Unregelmäßigkeiten begleitet wird: bedrohten Zeugen, abgehörten Gespräche zwischen Angeklagten und Verteidigern sowie dem Hungerstreik der Beklagten, die den Prozess von Beginn an massiv stören.

26.05.1972: Fahndungsplakat RAF Erste Generation © picture-alliance / dpa
AUDIO: Wie fair war der Stammheim-Prozess? (2012) (4 Min)

RAF-Entführungen im "Deutschen Herbst"

Hanns Martin Schleyer in der Gewalt der RAF. © picture-alliance/ dpa
Von der RAF entführt und später getötet: Arbeitgeber-Präsident Hanns Martin Schleyer.

Das Ende der Gewalt bewirkt das Verfahren nicht. Die "zweite Generation" der RAF verübt stattdessen immer brutalere Anschläge und tötet unter anderem Generalbundesanwalt Siegfried Buback und Bankier Jürgen Ponto. Seinen Höhepunkt erreicht der Terror 1977 während des sogenannten Deutschen Herbstes, der mit der Entführung von Arbeitgeber-Präsident Hanns Martin Schleyer am 5. September beginnt. Wochenlang halten die Terroristen das Land in Atem. Am 13. Oktober eskaliert die Situation weiter, als ein Terrorkommando den Lufthansa-Jet "Landshut" nach Mogadischu entführen. Mit der Aktion wollen sie ihre Gesinnungsgenossen in Stammheim aus der Haft freipressen. Doch die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt (SPD) gibt nicht nach und lässt den Jet am 18. Oktober von der Sondereinheit GSG 9 stürmen - alle 82 Passagiere überleben. Nur einen Tag später wird der entführte Hanns Martin Schleyer ermordet aufgefunden. Er ist einer von 34 Toten, die auf das Konto der RAF gehen.

Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe erfahren im Hochsicherheitsgefängnis Stammheim davon, dass ihre geplante Befreiung gescheitert ist. Nur Stunden nach dem Ende des "Landhut"-Dramas werden sie tot in ihren Zellen gefunden - noch während der Prozess gegen sie läuft. Die Umstände ihres Selbstmordes sind bis heute umstritten und werden auch mit den harten Haftbedingungen in Verbindung gebracht.

Das Morden nimmt kein Ende

Eine "dritte Generation" ändert Anfang der 1980er-Jahre die Strategie und will die RAF internationalisieren. Das Morden geht dabei weiter. Die prominentesten Opfer sind Deutsche-Bank-Vorstandssprecher Alfred Herrhausen (1989) und Karsten Rohwedder, Vorsitzender der Treuhand (1991). Er gilt als letztes Mordopfer der RAF. 1992 setzt Justizminister Klaus Kinkel (FDP) ein Zeichen und erklärt, der Staat müsse sich mit der RAF versöhnen, wo es angebracht sei. Die Terrorgruppe reagiert in einer ihrer ideologischen Erklärungen mit den Worten: "Wir, die revolutionäre Metropolenfront, haben die Macht, die von hier aus durchstartende Aggression der Imperialisten in Schach zu halten."

Das Ende der RAF: Viele Fragen bleiben offen

Fahndung nach ehemaligen RAF-Mitgliedern auf der Website des Bundeskriminalamts vom Februar 2012. © Bundeskriminalamt
Auf seiner Website zeigt das Bundeskriminalamt Fahndungsfotos von mutmaßlichen RAF-Terroristen.

Am 20. April 1998 geht bei der Nachrichtenagentrur Reuters ein achtseitiges Schreiben ein, in dem die RAF erklärt: "Vor fast 28 Jahren, am 14. Mai 1970, entstand in einer Befreiungsaktion die RAF. Heute beenden wir dieses Projekt. Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte." Die Autoren des Schreibens bleiben unbekannt, Ermittler halten das Papier aber für authentisch.

Auf das Konto der RAF gehen 34 Tote und mindestens 230 zum Teil schwer verletzte Menschen. Die Selbstauflösung stellt eine Sensation dar. Die Akte RAF beschäftigt Staatsschützer allerdings noch immer. Viele Taten konnten bislang nicht aufgeklärt werden. Das Bundeskriminalamt fahndet weiterhin nach Mitgliedern der Gruppe.

Festnahme im Jahr 2024

Jahrelang werden unter anderem Ernst-Volker Staub, Daniela Marie Luise Klette und Burkhard Garweg gesucht. Die Staatsanwaltschaft Verden wirft den Mitgliedern der "dritten Generation" versuchten Mord und mehrere schwere Raubüberfälle vor. Die Ermittler gehen davon aus, dass das frühere RAF-Trio die Taten nicht aus politischer Motivation verübte, sondern um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Am 27. Februar 2024 wird Klette in Berlin festgenommen. In ihrer Wohnung werden Waffen gefunden.

Die Ermittler sind weiter auf der Suche nach Garweg und Staub. Es sei "eine Gefährlichkeit" anzunehmen. Das Landeskriminalamt Niedersachsen geht davon aus, dass Garweg in Berlin einen Bauwagen als Unterkunft genutzt hat. Von Staub finden die Ermittler Spuren in Klettes Wohnung.

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 04.03.2024 | 19:30 Uhr

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