Eine junge Frau mit einem Blumenstrauß, auf dem "Für Mutti" steht. © picture alliance / dpa Themendienst Foto: Mascha Brichta

Warum feiern wir den Muttertag?

Stand: 08.05.2022 08:10 Uhr

Für Blumenhändlerinnen und Blumenhändler im ganzen Land ist es der wichtigste Tag des Jahres, beim Rest der Bevölkerung aber herrscht Uneinigkeit über den Muttertag.

von Yasemin Ergin

Die einen freuen sich über einen Strauß Rosen oder andere Aufmerksamkeiten, über die Gelegenheit, Mama endlich mal wieder "Danke" zu sagen. Ein liebevolles Ritual, das so gut zum Frühling passt wie ein Picknick im Park mit selbstgebackenem Erdbeerkuchen. Was soll daran umstritten sein?

Die anderen ärgern sich über eine Tradition, die sie als altbacken und überholt empfinden, weil sie ein traditionelles Mutterbild propagiere und hoffnungslos kommerzialisiert sei. Und überhaupt, wurde der Muttertag nicht von den Nazis erfunden? Oder doch von der Blumenindustrie? Woher kommt der Ehrentag der Mütter denn nun wirklich?

Antike: Die alten Griechen huldigen Göttin der Mutterschaft

Tatsächlich reichen die Ursprünge dieses Tages bis in die Antike zurück. Schon die alten Griechen huldigten bei ihren Frühlingsfesten der Göttin Rhea, Mutter von Chefgott Zeus und damit Sinnbild für Fruchtbarkeit und Mutterschaft. Auch im Mittelalter gab es vergleichbare Traditionen. Der britische "Mothering Day", der bis heute im März jeden Jahres gefeiert wird, entstand schon im 13. Jahrhundert.

1860er-Jahre: Frauenbewegung organisiert Gedenktage

Der Muttertag, wie wir ihn heute kennen, und der in den meisten Ländern der Welt auf den zweiten Sonntag im Mai fällt, entstand im Rahmen der britischen und amerikanischen Frauenbewegung. Die Amerikanerin Ann Jarvis organisierte schon in den 1860er-Jahren sogenannte "Mütter-Freundschaftstage", um die Opfer des Amerikanischen Bürgerkrieges zu unterstützen. Wenige Jahre später forderte die Frauenrechtlerin Julia Ward Howe einen "Muttertag des Friedens".

1908: Begründerin Anna Marie Jarvis feiert Gedenkgottesdienst

Als offizielle Begründerin aber gilt die Amerikanerin Anna Marie Jarvis, die ab 1907 die offizielle Anerkennung des Muttertags durchsetzte. Am 9. Mai 1908, dem dritten Todestag ihrer fast gleichnamigen und oben bereits erwähnten Mutter, organisierte sie einen Gedenkgottesdienst und verteilte anschließend fünfhundert Nelken, um verstorbene wie lebende Mütter zu ehren. Dank ihrer Bemühungen setzt sich die Idee bald landesweit durch: 1914 erhob der damalige Präsident Thomas Woodrow Wilson den Muttertag zum nationalen Feiertag, wenig später breitete er sich auch in anderen Ländern aus.

1920er-Jahre: Kommerzialisierung sorgt für Rechtsstreit

Doch die Freude über diesen Erfolg währte für Anna Marie Jarvis nicht lange. Die massive Kommerzialisierung des von ihr begründeten Tages ging der Frauenrechtlerin dermaßen gegen den Strich, dass sie ab den 1920er-Jahren für die Abschaffung des Muttertags vor Gericht zog und wegen der Störung einer Muttertagsfeier sogar kurzzeitig im Gefängnis landete - Fun Fact für Muttertagskritikerinnen und -kritiker.

Genützt hat Jarvis‘ Widerstand nichts. Nur zu Weihnachten geben die Amerikaner mehr für Geschenke aus als zum Muttertag. Laut Schätzungen des nationalen Einzelhandelverbandes liegen die durchschnittlichen Muttertagsausgaben in den USA aktuell bei 245 US-Dollar pro Kopf. In Deutschland sind die Zahlen deutlich niedriger, doch auch hier ist die Tendenz steigend.

1922: Blumenhändler initiieren Muttertag in Deutschland

Apropos Kommerz: Dass der Muttertag sich in Deutschland überhaupt durchsetzte, ist tatsächlich den Blumenhändlerinnen und Blumenhändlern zu verdanken. 1922 führte der Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber den Tag hierzulande ein. Mit "Ehret die Mutter"-Plakaten in ihren Schaufenstern etablierten sie ihn zunächst als "Tag der Blumenwünsche". Ein Jahr später, am 13. Mai 1923, wurde der Muttertag in Deutschland ganz offiziell ausgerufen - von Rudolf Knauer, dem Vorsitzenden des Blumenhändlerverbandes.

1934: Nazis nutzen Tag für Propaganda

Und auch das mit den Nazis und dem Muttertag stimmt leider. Die Nationalsozialisten haben den Tag zwar nicht erfunden, aber massiv für ihre Propaganda im Dritten Reich missbraucht. Sie erklärten ihn zum Feiertag, benannten ihn 1934 um in "Gedenk- und Ehrentag der deutschen Mütter" und betonten damit die Aufgabe der Frau bei der "Reproduktion" des deutschen Volkes. Ab 1938 wurden kinderreiche Frauen zum Muttertag mit dem "Ehrenkreuz der Deutschen Mutter" geehrt. Die Medaille für mehrfache Mütter wurde ab vier Kindern vergeben. Ab Kind Nummer vier gab es das Mutterkreuz in Bronze, ab sechs Kindern in Silber und für acht und mehr Kinder in Gold. Eine zweifelhafte Auszeichnung, die im Volksmund schon damals als "Karnickelorden" verspottet wurde.

Mit Ursprüngen heute nichts mehr gemeinsam

Dass (nicht nur) Feministinnen mit dem Muttertag heute nicht mehr viel anfangen können, hat also gute Gründe. Mit seinen Ursprüngen in der Frauenrechtsbewegung hat der Feiertag heute nichts mehr gemeinsam. Und dass Wertschätzung für das, was Mütter täglich leisten, sich nicht auf einen Tag im Kalender beschränken sollte, dürfte nicht erst seit der Corona-Pandemie klar sein. Doch auch wenn das beste Geschenk mehr politische und gesellschaftliche Anerkennung wäre: Wer auch zwischendurch mal dran denkt, "Danke" zu sagen, macht mit einem Blumenstrauß am Muttertag natürlich auch nichts falsch.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassikboulevard | 08.05.2022 | 14:20 Uhr

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Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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