Stand: 07.01.2015 16:34 Uhr

Auf den Spuren der Römerschlacht am Harzhorn

Ein Hand hält eine alte Spitze eines Geschosses. © NDR Foto: Christoph Heymann
Archäologen fanden am Harzhorn bereits mehr als 2.700 Einzelteile.

Es waren Hobby-Archäologen, die im Jahr 2000 am Harzhorn in Südniedersachsen rostige Eisenbolzen entdeckten. Sie ahnten den möglichen Wert ihres Fundes und legten ihn Experten zur Begutachtung vor. Wenig später stand fest: Die Eisenbolzen aus dem Wald zwischen Bad Gandersheim und Kalefeld gehören zu sogenannten Scorpio-Katapulten - Schusswaffen der römischen Legionen. Der Fund rückte die Geschichte der Römer in Germanien in ein neues Licht. Inzwischen wurden am Harzhorn Tausende Artefakte ausgegraben. Ein Informationszentrum und ein Besucherpfad ordnen die Funde historisch ein.

Geschichte wird umgeschrieben

Willkommens-Stele am Harzhorn. © NDR.de Foto: Jens Klemp
Schautafeln informieren über die Ereignisse vor rund 1.800 Jahren.

Bis zu den Entdeckungen am Harzhorn hatten Historiker angenommen, dass die Römer seit ihrer Niederlage in der Varusschlacht im Jahre 9 nach Christus und den Rachezügen des Germanicus in den Jahren 14 bis 16 keine größeren Feldzüge mehr in das Innere Germaniens unternommen hatten.

Besuch auf dem Schlachtfeld

Neben Schautafeln an einem Fußweg über das Ausgrabungsgelände bietet ein Infogebäude Wissenswertes über die Funde am Harzhorn. Öffnungszeiten: jeden Sonntag; April bis Oktober: 11-16 Uhr, November bis März: 13-16 Uhr.
Um 14 Uhr beginnt sonntags eine öffentliche Führung auf das Schlachtfeld. Dauer: zwei Stunden.
Anfahrt: Bundesstraße 248, zwischen Kalefeld-Oldenrode und Seesen-Ildehausen.
Details siehe Karte und Link im Text unten.

Münzfunde belegen jedoch, dass die Schlacht in Südniedersachsen zur Zeit des römischen Kaisers Maximinus Thrax stattgefunden haben muss, der um 225 bis etwa 240 nach Christus Krieg gegen die Germanen führte. Archäologen fanden außerdem Pfeilspitzen von syrischen Bogenschützen. Diese kamen aus besetzten Provinzen und dienten in der römischen Legion als Söldner. Aus der Zeit von Maximinus Thrax ist überliefert, dass er um 235 maurische Speerschleuderer und syrische Bogenschützen einsetzte. Die Schlacht am Harzhorn wird daher auf diese Jahre datiert.

Mindestens 1.000 römische Kämpfer

Petra Lönne, Kreisarchäologin im Landkreis Northeim, zeigt in Hannover eine Pionieraxt mit Inschrift. © dpa - Bildfunk Foto: Julian Stratenschulte
Neben anderen schwer zu entziffernden Zeichen ist auf einer Axt "LEG IIII" eingraviert.

Bei Ausgrabungen auf einem etwa 1.000 mal 500 Meter großen Areal fanden Archäologen bisher mehr als 2.700 Einzelteile: Pferdesandalen, Zeltheringe, Wagenteile, Lanzen, Speerspitzen und andere Waffen. Die Inschrift auf einer römischen Axt lieferte einen wichtigen Hinweis, welcher Verband gegen die Germanen kämpfte: "LEG IIII". Dies steht für die vierte Legion der Römer. Die Einheit stammte mit großer Sicherheit aus Singidunum, dem heutigen Belgrad, so die Archäologen.

Römische Silbermünzen vom antiken Schlachtfeld im Kreis Northeim liegen in einem Etui. © dpa Foto: Frank May
Münzfunde halfen, den Zeitpunkt der Schlacht einzugrenzen.

Am Harzhorn zogen damals mindestens 1.000 Legionäre den Berghang hinauf. Sie kamen aus dem Norden und waren auf dem Rückweg an den Rhein. Wahrscheinlich lauerten ihnen die Germanen in einem Hinterhalt auf. Die Fundstelle am Harzhorn liegt auf der Spitze eines von West nach Ost verlaufenden Höhenzuges. Die steil abfallenden Hänge sind nur an wenigen Stellen passierbar. Teilweise ist der Pass nur 300 Meter breit. Dort könnten Germanen auf die römischen Feinde gewartet haben. Besonders viele Fundstücke entdecken Archäologen auf dem Hauptkamm des Berges.

Gefechtspositionen noch zu erkennen

Ein Grabungstechniker hält eine mutmaßlich germanische Speerspitze. Sie wurde auf einem Grabungsfeld in einem Wald in Kalefeld im Landkreis Northeim gefunden. © AP Photo Foto: Jörg Sarbach
Germanen griffen unter anderem mit solchen Speerspitzen an, waren aber letztlich wohl unterlegen.

Das Schlachtfeld ist so gut erhalten, dass sich einzelne Gefechtsabschnitte nachvollziehen lassen, etwa der Einschlag gezielter Pfeilsalven oder einzelne Infanterieangriffe. Dennoch bleiben viele Fragen offen. Was war das Ziel der römischen Operation so weit im Norden? War es ein Rachefeldzug? Sollten die Germanen eingeschüchtert werden?

Dank ihrer überlegenen Waffentechnik könnte es den Römern gelungen sein, sich den Weg frei zu kämpfen. So verfügten ihre Scorpio-Katapulte über eine hohe Durchschlagskraft. Noch in gut 120 Metern Entfernung konnten die Bolzen Holzpalisaden und Metallpanzerungen zerstören - damals eine sehr wirksame Waffe. Die Forscher gehen davon aus, dass es in der Schlacht keinen eindeutigen Sieger gab: Die Germanen machten Beute, die Römer zogen ohne große Verluste in Richtung Leinetal ab.

Karte: Das Harzhorn im Südosten Niedersachsens

Weitere Informationen
Nachgestellte Kampfszene am Harzhorn Kalefeld © Looks Film Foto: Steffen Junghans

Rätsel Römerschlacht

Römische Funde in Südniedersachsen bedeuten eine wissenschaftliche Sensation. Dem archäologischen Rätsel spürt die Doku nach und erzählt Geschichte spannend wie einen Krimi. mehr

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NDR Story | 12.05.2018 | 11:30 Uhr

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