Stand: 21.04.2013 15:00 Uhr

Bergen-Belsen: "Rückfall in die Barbarei"

Wohl kaum jemand, der nicht selbst dabei war, kann sich das Bild des Leids vorstellen, das britische Soldaten am 15. April 1945 erblickten, als sie das Konzentrationslager Bergen-Belsen befreiten. Die Soldaten fanden ein verwahrlostes, völlig überfülltes Lager mit ausgemergelten Menschen in zerlumpter Häftlingskleidung und nackt im Staub liegenden oder zu Bergen aufgetürmten Leichen vor. Der BBC erschien ein Bericht des Kriegsreporters Richard Dimbleby gar so unglaublich, dass sie ihn zunächst gar nicht senden wollte. 70.000 Menschen wurden in dem Lager in der Lüneburger Heide von den Nationalsozialisten ermordet. Ihnen ist am Sonntag bei einer Feierstunde zur Befreiung des Lagers vor 68 Jahren gedacht worden.

"Was Menschen an Unmenschlichkeit möglich war"

Die frühere Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, bezeichnete den Massenmord in den Konzentrationslagern als "furchtbares Exempel für das, was Menschen an Unmenschlichkeit möglich war". Wie ein Kulturvolk in die Barbarei zurückfallen konnte, sei bis heute eine herausfordernde Frage. Die 79-jährige SPD-Politikern versuchte sich selbst in einer Erklärung und nannte "Obrigkeitshörigkeit, antisemitische und rassistische Vorurteile, nationalistischen Größenwahn und ein übersteigertes Selbstwertgefühl" als Gründe. Das Bewusstsein für diese Verbrechen werde durch die Arbeit der Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten wachgehalten, lobte Limbach die Verdienste der Stiftung.

Heiligenstadt mahnt dauerhafte Aufarbeitung an

Auch die niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) rief Staat und Gesellschaft dazu auf, dauerhaft für die Dokumentation, Aufarbeitung und Vermittlung der NS-Verbrechen zu sorgen. "Wenn wir uns der Ausgrenzung und ihrer Folgen im Nationalsozialismus erinnern, werden wir gemahnt, die Grundlagen für eine Gesellschaft der Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität zu bewahren", sagte Heiligenstadt.

Kritik an NPD-Verbotsverfahren

An dem Festakt, zu dem die niedersächsische Landesregierung, der Landesverband der jüdischen Gemeinden und die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten eingeladen hatten, nahmen unter anderem Vertreter der jüdischen Gemeinschaft und Überlebende teil. Einer der Überlebenden, Menachem Rosensaft, der im KZ Bergen-Belsen geboren wurde, kritisierte das Nein der Bundesregierung zu einem eigenen NPD-Verbotsantrag. "Wir werden und dürfen kein Wiedererstarken rassistischer und neonazistischer Gruppen in welcher Form auch immer tolerieren, insbesondere nicht in Deutschland", sagte Rosensaft, dessen Vater 1946 das Mahnmal errichtet hatte. Zum Gedenken an die Opfer legten die Gäste Kränze im KZ nieder.

 

Die Befreiung
Britischer Soldat spricht mit einem Insassen nach der Befreiung der KZ Bergen-Belsen. (Bild: DPA) © dpa - Report Foto: epa PA Beth Shalom

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | 21.04.2013 | 13:00 Uhr

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