Sendedatum: 05.10.2011 23:20 Uhr

Produkte platzieren - US-Importe im deutschen TV

Schleichwerbung ist irgendwie igitt - sie hat ein mieses Image und bei den Öffentlich-Rechtlichen für einige Skandale gesorgt. Doch eine Agentur will diese Form der Werbung jetzt aus der Schmuddelecke herausholen und verleiht zum ersten Mal einen Preis für kreatives Product Placement. In Deutschland muss die Produktplatzierung eigentlich auf den ersten Blick erkennbar sein. Nur bei Produktionen aus dem Ausland wird es schwierig. Die Schleichwerbung findet eben immer neue Schleichwege.

VIDEO: (11 Min)

Hollywood: die Traumfabrik des Films, die Welt der Stars und natürlich des ganz großen Geldes.

Moritz Holzgraefe, Medienrechtler, meint: "In Hollywood erleben wir, dass mit dem Thema Product Placement sehr offen umgegangen wird und deshalb in der Tat es oftmals als Paradies für die Werbewirtschaft angesehen wird."

Und so ist es kein Zufall, dass ein Handy durch den Film "The Matrix" berühmt wurde. Immer wieder hat das Telefon einen geräuschbetonten Auftritt - gut geplant aus gutem Grund, wie Ruben Igielko-Herrlich, Geschäftsführer der Agentur "Propaganda GEM”, erklärt: "Werbung, die dritte oder vierte Generation von Zuschauern, die in Kontakt mit Werbung sind, die wissen, dass jemand versucht, ihnen etwas zu verkaufen. Wenn man aber Teil der Sendung ist, wird man nicht zwangsläufig als solche wahrgenommen - viel effektiver." (dt. Übersetzung).

Effektiv - denn in "The Matrix" bekommt das Handy eine eigene Rolle, rettet den Filmhelden minutenlang aus einer gefährlichen Situation. Die Werbung für das Telefon wird so Teil der Handlung. Das ist Werbung, die der Zuschauer nicht abschaltet. Dass seine Kunden wie Nokia gut dastehen, dafür zieht Ruben Igielko-Herrlich die Strippen. Er selbst dagegen tritt lieber leise in den Hintergrund: "Je mehr die Leute darüber reden, wie viel Geld oder Einfluss in Product Placement stecken, desto weniger einflussreich ist es. Einfach zu viel Aufmerksamkeit für Dinge, die keiner zu wissen braucht." (dt. Übersetzung).

Aufmerksamkeit lenken, aber nicht auf sich selbst. ZAPP darf trotzdem einen Blick in die Agentur werfen. Denn letztlich spricht der Agenturchef gern über seine Erfolge. Sein ganzer Stolz: "Mission Impossible 2". Hier konnte seine Agentur sogar direkten Einfluss auf das Drehbuch nehmen: komplette Dialoge um und über eine Kette eines Kunden. Der Markenname wird genannt, das Logo ausführlich im Bild gezeigt. Wertvoll und deshalb beliebt auch bei Dieben, das soll wohl die Message sein. 200 bis 300 Drehbücher bekommt die Agentur jährlich. Doch wie viel Geld genau von den Kunden zu den Agenturen fließt, dazu schweigt die gesamte Branche. Einen seltenen Einblick offenbart ein älteres Dokument: In einer Vereinbarung "garantiert" Sylvester Stallone, "Brown&Williamson tobacco products" in "mindestens fünf Filmen" zu verwenden, für den Preis von 500.000 Dollar. "Ihr Silvester Stalone". Ob bei "Rocky" oder beim teuer produzierten Film "Rambo 2" - es wird viel geraucht.

Negative Platzierungen

Ruben Igielko-Herrlich: "Unser Job sind zwei Dinge: Nach wünschenswerten Situationen zu schauen und sicher zu gehen, dass man nicht in negative Situationen gerät: Dass etwa Leute nicht in den Autos unserer Klienten sterben. Dass Leute nicht die Flaschen auf dem Kopf zerschlagen bekommen, die zu unseren Klienten gehören." (dt. Übersetzung).

Negativ will schließlich kein Unternehmen da stehen. Aber sogar daran arbeiten Agenturen wie "Propaganda GEM" gezielt.

Moritz Holzgraefe: "Negative Placements sind ein ganz besonderes Problem. Letztlich heißen Negative Placements, dass ein Unternehmen dafür zahlt, dass ein Konkurrent im negativen Licht dargestellt wird. [...] Das heißt, auf diese Art und Weise wird auch versucht, den Zuschauer auf negative Weise zu beeinflussen. Und das spielt heutzutage eine ganz besonders große Rolle, denn die Produkte unterscheiden sich oft von ihren Qualitäten nur noch wenig und es geht sehr, sehr viel über das Image einer Marke."

Wie bei Coca Cola und Pepsi. In "Missing" soll Coca Cola für ein gutes Image bezahlt haben. Die guten, demokratischen Amerikaner trinken Coca Cola. Während die teuflisch mordenden chilenischen Militärs Pepsi-Trinker sind. In "Murphys Romance" das gleiche Schema: In schönen Momenten des Films ausführlich Coca Cola. In traurigen Momenten sieht man Pepsi im Bild. Und auch in "Brokeback Mountain": versöhnte amerikanische Familie gleich Coca Cola; ärmliches, mexikanisches Rotlichtviertel gleich Pepsi. Negative Placements, das schmutzigste Geschäft der Branche. Beispiele will der Agenturchef auf Nachfrage nicht nennen.

Ruben Igielko-Herrlich: "Nein, aber gemacht haben wir es. Wir haben das schon gemacht. Aber wissen sie, die Unternehmen, die im Film weniger cool dastehen und die Firmen, die besser weg kommen, unsere Klienten, wissen wer sie sind. Ich meine, das sind gewisse Dinge, die wir tun, aber über die wir nicht reden." (dt. Übersetzung).

Weltweite Strategien

Reden über die Erfolge ist eben leichter. Und Product Placement in Hollywood ist erfolgreich, hat für Marketingstrategen klare Vorteile.

Ruben Igielko-Herrlich: "Globale Reichweite, ganz simpel. Hollywood ist wirklich die einzige Unterhaltungsindustrie, die es geschafft hat, sich selbst in die ganze Welt zu exportieren." (dt. Übersetzung)

Exportschlager aus Hollywood sind oft Filme. Aber die Agentur platziert ihre Kunden auch in Musikvideos und vor allem in beliebten US-Serien. In "The Mentalist" wirbt die Agentur "Propaganda GEM" für ihren Kunden Lamborghini. Die Serie läuft auch im deutschen Fernsehen. Wie auch die beliebte US-Serie "CSI New York". Hier inszeniert die Agentur "Propaganda GEM" seinen Kunden, den Kofferhersteller Rimowa, als einen "stabilen Retter". Eine weltweite Werbestrategie, ohne Grenzen?

Moritz Holzgraefe: "Die Frage ist, ob über Product Placement der Zuschauer irregeführt wird. Und da muss man sagen: sofern er nicht hinreichend gewarnt wird und die Werbung nicht als solche erkennen kann, wird er in der Tat irregeführt."

Fehlende Hinweise

Aber der Zuschauer soll nicht irregeführt werden. Es gibt neue Gesetze. Die EU hatte 2008 in einer Fernsehrichtlinie abgestimmt. Zwar heißt es: Product Placement, ja, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Eine Bedingung ist ein klarer Warnhinweis. Alle, im Gerichtsdeutsch sogenannten  Fremdproduktionen neueren Alters wie eine Reihe von US-Serien müssen gekennzeichnet werden, wenn sie eine Produktplatzierung beinhalten. Mit beispielsweise "P - Unterstützt durch Produktplatzierungen". Die Infos sollen die deutschen Sender bei den US-Lizenzgebern erfragen.

Moritz Holzgraefe: "Sollten allerdings, und das ist äußerst wahrscheinlich, die Produktionsfirma keine Auskunft erteilen, so ist es so, dass eine Zweifelsregelung erfolgt. Das heißt, es muss einen Warnhinweis erfolgen, der besagt, es könnte Product Placement enthalten sein. Und da erkennt man schon, dass die Rechtslage sehr schwierig ist und dass solche Warnhinweise in der Praxis natürlich mit sehr starken Problemen verbunden sind."

Das Ergebnis: Die Serien "Bones", "The Mentalist" und "Desperate Housewives" liefen im deutschen Fernsehen und müssten alle gekennzeichnet sein. Doch bei allen dreien fehlt der Warnhinweis im Bild. Stattdessen präsentiert auf ProSieben ("Desperate Housewives") die Agentur "Propaganda GEM" ungestört ihren Kunden BMW. Auf Sat.1 ("The Mentalist") wirbt "Propaganda GEM" für Lamborghini. Und bei RTL ("Bones") sorgt die Agentur für einen Auftritt von Panasonic.

Moritz Holzgraefe: "Das heißt, dass Warnhinweise nicht hinreichend ergehen, meines Erachtens, und im Hinblick auf Fremdproduktionen die Zuschauer oftmals irregeführt werden können."

Auf ZAPP Anfrage erklärt RTL, kein Warnhinweis im Bild. Im Videotext sei aber drauf hingewiesen worden, dass diese Sendung Placements enthalten könnte. Und ProSiebenSat.1 erklärt auf ZAPP Anfrage: Der Warnhinweis fehlte bei "Desperate Housewives", weil trotz Nachfrage keine Informationen vom US-Lizenzgeber gekommen seien. Nur eine Info im Videotext. Und auch bei "The Mentalist" gibt es keinen Hinweis im Bild und auch sonst nirgends. Verboten. ProSiebenSat.1 wusste zwar vom Product Placement, nur leider zu spät. "Im Juli bekamen wir die Information", aber "die Sendung wurde jedoch bereits im März ausgestrahlt." Für ProSiebenSat.1 widerspricht es dem klaren Interesse des Senders, er findet das alles "sehr aufwändig (...) gar unsinnig". Es sei Mehraufwand, ohne dass damit "auch nur ein Euro senderseits verdient" worden sei. Um Transparenz für den Zuschauer geht es dem Sender offenbar nicht.

Und die Kontrolleure der Sender, die Medienanstalten, haben zwar eine Studie erstellen lassen, ein Problem aber können sie nicht erkennen.

Thomas Langheinrich, Beauftragter für Programm und Werbung der ZAK, meint: "Wir haben festgestellt, dass zunächst aus der Studie nicht ableitbar ist, dass wir dringend jetzt unsere Richtlinien oder die Gesetze ändern müssen. Wir haben einige Fälle, die in der Studie benannt worden, die auffällig waren aus der Untersuchung heraus. Die haben wir in unserem normalen Prüfungsprozess aufgenommen und werden uns im Detail mit diesen Fällen befassen."

Noch ist aber nichts passiert, Transparenz für den Zuschauer noch nicht erreicht. Indes arbeitet Ruben Igielko-Herrlichs Agentur ganz entspannt weiter:"Hollywood hat globale Wirkung. Also, man hat damit eine einheitliche Botschaft über viele Länder hinweg. Sehr effizient." (dt. Übersetzung).

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 05.10.2011 | 23:20 Uhr

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