Sendedatum: 21.03.2012 23:20 Uhr

Urheberrecht: Selbstbedienung der Verlage

Das Internet, was für eine praktische Erfindung. Egal, was Ihnen gerade einfällt, egal was man wissen will. Irgendetwas findet man immer im Netz und das Beste: in der Regel alles gratis. Häufig stößt man zum Beispiel auf interessante Artikel, die schon in der Zeitung erschienen sind. Texte, die Journalisten geschrieben haben. Texte, für die sie vielleicht lange recherchiert haben. Texte, die die Verlage dann auch gerne ins Internet stellen. Und damit in Zukunft sogar Geld verdienen wollen. Nur der Journalist, der geht dabei meist leer aus.

 

VIDEO: (8 Min)

Die Heimatzeitung in Garbsen. Hier entstehen die Regional-Beilagen der "Hannoversche Allgemeine Zeitung" des Madsack-Verlags. Redakteure und freie Mitarbeiter berichten aus jedem Winkel der Region. Seit einigen Wochen auch im Internet. Für jede Region eine eigene Rubrik. Doch nicht jeder Artikel ist frei verfügbar. Der Madsack-Verlag will seit kurzem Geld für seine Artikel. "Paid Content" - Bezahlinhalte im Internet. Von diesen Mehreinnahmen haben die freien Autoren aber nichts. Die Chefredaktion teilte ihren Mitarbeitern per E-Mail mit: "Eine zusätzliche Bezahlung kann es nicht geben." Und dazu noch die Drohung: "Freie Mitarbeiter, die darauf bestehen, werden leider keine Aufträge für relevante Geschichten mehr bekommen können, von einigen werden wir uns unter Umständen trennen müssen."

Peter Taubald, Chefredakteur Heimatzeitung: "Wenn ein Mitarbeiter unbedingt meint, also nein, ich will auf keinen Fall, dass das online erscheint, dann sagen wir 'Wir bezahlen dich nach Vergütungsregeln, da ist das mit drin, wir brauchen das in unserer Marktsituation', dann erwarten wir auch, dass wir das bekommen."

 

Der Verlag will also mehrfach verwerten, aber nicht mehr bezahlen. Viele Mitarbeiter sind wütend, ärgern sich über die Erpressungsversuche, haben aber Angst, vor der Kameras etwas dazu sagen. Anonym, ein schriftliches Statement: "Die Selbstverständlichkeit, mit der die Chefredaktion von vornherein an dieses hoch brisante Thema "Urheberrecht" herangegangen ist, macht uns wütend. [...] Das werden wir diesmal nicht einfach schlucken."

Was Madsack versucht, ist weit verbreitet. Die Verlage bangen um ihre Gewinne, bedroht angeblich durch das Internet. Sie wollen sparen. Auch bei den Honoraren. Architekturjournalist Christian Tröster kennt das. Er schreibt für renommierte Zeitungen und Zeitschriften. Die Haltung ist überall dieselbe.

Christian Tröster, freier Journalist: "Die Honorare für freie Autoren im Magazinbereich haben sich seit 20 Jahren nicht erhöht. Das ist also eine kalte Enteignung, die unausgesprochen stattfindet und auf der anderen Seite tritt man dafür immer mehr Rechte ab. Das heißt man bekommt keine Möglichkeit noch an einer Mehrfachverwertung zu verdienen, wie das früher üblich war und wie das im Urheberrechtgesetz eigentlich vorgesehen ist."

Onlinegeschäft auf Kosten der Urheber

Autoren haben ein doppeltes Problem: Die Verlage sichern sich oft alle Rechte an ihren Texten. Konnte ein Journalist die Rechte behalten, hat er manchmal trotzdem nichts davon, muss sich gegen illegale Kopien wehren.

"Hier ist ein Text von mir aus der 'Welt am Sonntag'. Das ist ein Text über energieoptimierte Einfamilienhäuser und den hab ich im Internet wiedergefunden auf Websites.", erzählt Tröster: "Das ist zuerst gewandert auf die Website der 'Welt am Sonntag'. Dafür habe ich natürlich auch kein Geld bekommen und von dort ist es kopiert worden von verschiedenen Institutionen und Firmen, die sich mit Solarenergie und energieoptimierten Häusern beschäftigen, die das einfach ohne mich zu fragen auf ihrer Website gepostet haben, diesen Text."

Christian Tröster ging dagegen vor, mit Hilfe des Urheberrechts. Der Text verschwand von den Seiten. Die Verlage machen sich solche Fälle zu Nutze, behaupten auch, durch unerlaubte Kopien viel Geld zu verlieren. Deswegen verlangen die Verleger von der Politik ein so genanntes "Leistungsschutzrecht". Dabei meldete zum Beispiel Axel Springer kürzlich ein Rekordergebnis durch das Onlinegeschäft. (Welt Online, 08.03.2012).

Christian Tröster: "Die Verlage versuchen über das Leistungsschutzrecht, was sie jetzt versuchen durchzudrücken auf der Ebene des Gesetzgebers, selber so zu tun, als wären sie die Urheber und die Urheber fallen hinten runter nach deren Vorstellung."

Die Vorstellung zum Beispiel von Axel-Springer-Verlagssprecher Christoph Keese: Firmen, die angeblich gewerblich Tausende ihrer Artikel kopieren, sollen zahlen. An die Verlage zahlen sollen auch Nachrichten-Sammelseiten wie "Google News". Schließlich würden die Betreiber mit den Text-Ausschnitten Geld verdienen. Dass Google dabei auf die Verlagsseiten verlinkt und so Portalen wie der Berliner Morgenpost Leser bringt, geben die Verlage nur ungern zu. ZAPP bat die Verleger um ein Interview, stieß aber auf verschlossene Türen. Die Geschichte der leidenden Printhäuser soll offenbar nicht hinterfragt werden.

Matthias Spielkamp vom Urheberrechtsportal "irights.info" meint: "Ich glaube die Verleger haben sich am Anfang überleg, hey das ist doch  eine gute Sache, das bekommen wir schnell durch Hinterzimmer, dann bekommen wir es im Koalitionsvertrag, dann kriegen wir unser Gesetz.“

 

Trotz erster konkrete Signale, wie das Leistungsschutzrecht aussehen könnte,  wirkt vieles unklar. Und das beunruhigt nicht nur Autoren. Die Proteste im Netz nehmen zu. Denn vom Leistungsschutzrecht könnten alle betroffen sein, die im Internet aktiv sind und dabei ein paar Cent verdienen. Nicht nur Journalisten, sondern auch ganz normale Nutzer.

Auch User sind vom undurchsichtigem Urheberrecht betroffen

Matthias Spielkamp: "Es gibt viele Möglichkeiten in denen das Leistungsschutzrecht auch Nutzer, die das jetzt nicht nur Beruflich machen, betreffen könnte. Also etwa: Darf ich eine Überschrift mit dem entsprechenden Link dahinter, darf ich die noch twittern wenn es das Leistungsschutzrecht gibt? Das ist völlig unausgemacht. Wenn ich ein privates Blog habe, darf ich dann zum Beispiel einen Ausschnitt aus einem Artikel nehmen so wie ich das bis jetzt mache, Überschrift und vielleicht den Teaser und den Link drunter, darf ich das dann in meinem Blog einfügen? Das ist unausgemacht.“

Auf die Nutzer könnten neue Abmahnwellen zukommen. Dabei ist die Urheberrecht-Situation im Internet schon jetzt unübersichtlich. Wer sich aktiv im Netz bewegt, macht sich fast unweigerlich strafbar. Mit dem Leistungsschutzrecht würde sich die Situation verschärfen. Beispiel Bloggen: Eine Hamburg-Besucherin will ihre Freunde an dem Wochenendausflug teilhaben lassen. Auf Facebook erstellt sie einen kurzen Artikel. In den kopiert sie einen Text der offiziellen Webseite der Stadt Hamburg. Dazu lädt sie das selbst gemachte Foto hoch. Und eins, das sie bei Google gefunden hat. Außerdem bindet sie ein Youtube-Video ein. Das Resultat: Ein urheberrechtliches Chaos.

Matthias Spielkamp: "Wenn aber jemand heute auf seinem eigenen Blog ein Foto veröffentlicht oder wenn jemand bei Facebook ein Video veröffentlicht, dann sind das eben Urheberrechtliche regulierte Nutzungshandlungen, wie es so schön heißt. Das heißt, da greift das Urheberrecht ein und die meisten Leute kennen sich damit überhaupt nicht aus.“

Ist das Urheberrecht noch zeitgemäß?

Selbst Profis kennen sich nicht mehr aus mit dem Urheberrecht im Internet. Vor drei Wochen gab die "Welt Kompakt“ bekannt, dass sie die Rubrik "Tweet des Tages" einstellen werde. Grund: Die Redaktion hatte Tweets von normalen Nutzern abgedruckt, ohne deren Einwilligung, fürchtete Klagen. Doch ob die Genehmigung zum Druck notwendig ist, darüber streiten die Juristen.

Matthias Spielkamp: "Nein, ich glaube, dass dieser Gedanke, dass man für jede Art von Verbreitung von irgendwelchen Inhalten den Urheber eben um Erlaubnis bitten muss, in der digitalen Welt nicht mehr zeitgemäß ist. Und da liegt eben ein großer Stein des Anstoßes und des Streits in dem Fall.“

Im Netz wird über monatliche Pauschalen diskutiert, beispielsweise zusammen mit dem Internetanschluss. Das Geld würde an die Urheber verteilt. Inhalte dürften dann für die Privatnutzung bearbeitet werden. Stattdessen kommt: Das Leistungsschutzrecht.

Christian Tröster: "Es ist nicht in meinem Interesse und es ist auch nicht im Interesse der User im Internet, die mit noch weiteren Komplikationen im juristischen Sinne zu rechnen haben.“

Aber im Interesse der Verlage. Die haben die Regierung zu einem Gesetz gedrängt, das das Urheberrecht noch komplizierter machen könnte. Auch den Autoren der Heimatzeitung nützt das neue Gesetz nicht. Sie müssen weiter um ein Zusatzhonorar für die Internetnutzung ihrer Texte kämpfen.

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 21.03.2012 | 23:20 Uhr

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