Stand: 08.06.2005 23:00 Uhr

Schleichwerbung im Fernsehen

"Es wird viel passieren!" lautet der eingängige Refrain der ARD-Vorabendserie "Marienhof". Und in der Tat wird wohl einiges passieren, nachdem der evangelische Pressedienst "epd Medien" in einem Artikel vergangene Woche Fälle von Schleichwerbung in der Serie nachgewiesen hat. Ein Reisebüro und ein Pharmakonzern sollen bis zu 175.000 Euro an die Produktionsfirma Bavaria Film in München gezahlt haben, damit Drehbücher und Dialoge von "Marienhof" für Schleichwerbezwecke umgeschrieben werden. Zur Zeit werden die Vorwürfe geprüft, ARD-Programmdirektor Günter Struve kündigte jedoch schon "abschreckende Konsequenzen" an. Zapp über den Schleichwerbeskandal bei der ARD.

Unauffällig im Hintergrund: Das Sparkassenlogo. Im Reisebüro: Der Slogan eines großen Last-Minute-Anbieters. Eine bekannte deutsche Krankenkasse: auch gut erkennbar. Über zehn Jahre soll so in der ARD-Serie Marienhof für Themen und Marken geworben worden sein. Der Vorwurf: gekaufte Dialoge, bezahlte Logos.

Günter Struve, ARD-Programmdirektor: "Dass kleine Dinge immer wieder passieren bei einzelnen Fernsehfilmen, bei Tatorten meinethalben auch, das will ich nicht ausschließen, das habe ich auch nicht ausgeschlossen. Schleichwerbung ist verboten, steht im Vertrag, es ist außerdem rechtswidrig und außerdem ist es ein Betrug am Auftraggeber. Also hier ist die ARD der Betrogene und nicht der Täter."

Es ist die ARD, die den Marienhof produziert mit ihrer Tochterfirma Bavaria-Film. Sie gehört unter anderem dem WDR, SWR und mdr. Mehr als 2600 Folgen wurden schon gedreht. Der Jahresetat: 20 Millionen Euro. Zuschüsse von Firmen sind verboten - die Vorwürfe deshalb um so brisanter.

Hansgert Eschweiler, Bavaria-Film: "Die Geschäftsführung konzentriert sich im Moment ausschließlich auf die vollständige Aufklärung der Vorwürfe und so lange diese Sonderprüfung läuft können wir natürlich nicht mehr sagen."

Kein Einzelfall

Doch die Belege für diese Vorwürfe sind offenkundig, nicht nur in dieser Folge: Farbe, Schriftzug, Design. Alles erinnert in diesem Reisebüro an den Last-Minute-Anbieter l’tur. Und die auch die Marienhof-Dialoge passen zu dieser Kulisse, klingen wie ein Werbespot. Szene aus "Marienhof" vom 25.06.03: "Sag’ mal, diese Reise, die er gebucht hat. Nach Lanzarote. Wieviel kostet die?"

"All inclusive mit Tennisplatz 599 Euro."

"Ist das günstig?”

"Ja, das ist der Hammer. Da sparst Du 300 Euro zum regulären Preis."

Er hat den Kontakt zwischen Bavaria und l-tur vermittelt: Andreas Schnoor von der Münchner Medien-Agentur H+S Unternehmensberatung. Für ihn ein ganz normales Geschäft. Andreas Schnoor, H+S Unternehmensberatung: "Es ist ganz einfach zustande gekommen, und so wird hier immer gearbeitet: die Ausstatter oder Dramaturgen oder Autoren fragen: was könnten wir denn machen, wenn wir ein Reisebüro als solches mal installieren. Da sind wir hingegangen und haben überlegt: wer könnte hier möglicherweise kooperieren. Nun machen wir aber kein unzulässiges Placement, dass heißt wir können nicht l’tur 1:1 abbilden, sondern wir sind hingegangen und haben gesagt: l’tur, bist du damit einverstanden, dass du nicht l’tur heißt sondern Lastminute-Reisebüro, das hat mit l’tur erst mal gar nichts zu tun."

Harte Konsequenzen

Von diesen Verhandlungen und Absprachen will die Bavaria nichts gewusst haben, beteuert jetzt ihre Unwissenheit. Hansgert Eschweiler, Bavaria-Film: "Man muss natürlich sagen, dass die Akquisitionsmethoden des Unternehmens uns nicht bekannt waren, und von uns auch nicht gebilligt werden. Es gab zu keiner Zeit den Auftrag, Handlungsstränge zu verkaufen, und wir legen Wert auf die Feststellung, dass die redaktionelle Hoheit der Dramaturgie nie aus den Händen gegeben worden ist." Doch diese Dramaturgie soll seit mehr als zehn Jahren käuflich gewesen sein. Auch die Sparkassen wollten so ihr angestaubtes Image im Marienhof verbessern, sich neue Zielgruppen erschließen. Szene aus "Marienhof" von 1994: "Welche Karrieremöglichkeiten bieten sich denn einem so bei der Sparkasse?"

"Theoretisch, theoretisch kannst Du bei uns alles machen. Wir bilden Fachleute aus, die im internationalen Handel zuhause sind."

"Sie haben auch Leute in Amerika, in Japan?"

"Ja, sicher."

"Mann, da kann man ja ganz schön rumkommen."

Andreas Schnoor, H+S Unternehmensberatung: "Der Begriff Sparkasse ist ein Gattungsbegriff, Gattungsbegriffe dürfen genau so verwendet werden wie der Begriff Bank. Ob ich jetzt Sparkasse durch Bank ersetze oder umgekehrt. Das heißt, in diesem Zusammenhang kann es also nicht unzulässig sein, von der Sparkasse zu reden."

Ob Sparkasse oder Bank, bei der Bavaria untersuchen jetzt Wirtschaftsprüfer das ganze Ausmaß der Schleichwerbung. Und die ARD will möglichst rasch Konsequenzen ziehen:

Günter Struve, ARD Programmdirektor: "Man wird großflächiges verhindern können, in dem man Exempel statuiert in den Fällen, wo es herausgekommen ist. Und ich hoffe, der Sumpf dieser Agenturen ist trockengelegt, zumindest, was die ARD betrifft."

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 08.06.2005 | 23:00 Uhr

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