Stand: 28.09.2016 10:00 Uhr

Satire: Die bessere Politik-Berichterstattung?

Moderator Oliver Welke © Jochen Manz
Oliver Welke moderiert die "heute-show", die bereits mehrfach ausgezeichnet wurde.

"Nach regelmäßiger Rezeption der 'heute-show' bewerten junge Erwachsene, zwischen 18 und 26 Jahren, Politiker negativer als zuvor", so das Ergebnis einer Untersuchung der Universität Erfurt von 2014. Die Otto Brenner Stiftung kommt jetzt zu dem quasi gegenteiligen Urteil: "Die politischen Themen sind fast verblüffend dominant und werden in großer Dichte dargeboten. Der gelegentlich geäußerte Verdacht, hier werde rundweg alle Politik für blöd und nutzlos erklärt, lässt sich bei einer detaillierten Aufschlüsselung der Sendungen nicht erhärten." Was denn nun?

Wäre ZAPP eine Satiresendung, diese Ergebnisse wären eine Steilvorlage. Stattdessen sind wir von Mainz bis nach Berlin gereist, haben exzessiv Satiresendungen geschaut und "heute-show"-Anchorman Oliver Welke interviewt. Außerdem den Chef der "Anstalt", Stephan Denzer, "extra3"-Redaktionsleiter Andreas Lange und Hilmar Klute, der bei der "Süddeutschen Zeitung" unter anderem das Streiflicht redaktionell verantwortet. Einer Meinung sind sie nicht.

VIDEO: Satire: Die bessere Politik-Berichterstattung? (6 Min)

"Die Anstalt" voll mit "blödesten Klischees"?

Klute stellte vor allem der Anstalt ein Armutszeugnis aus: "Die machen einfach dieses alte, alte, sozialdemokratische Kabarett. Das ist ja auch bierernst, das ist ja auch nie lustig." Die "heute-show" dagegen nehme sich wenigstens selbst als Fernsehmedium noch auf die Schippe. Stephan Denzer ("Die Anstalt") weist diesen Vorwurf entschieden von sich: "'Die Anstalt' ist sehr journalistisch. Eigentlich hat sie, wenn man das so sagen will, eine Art dokumentarischen Anspruch. Sie nimmt sich 45 Minuten Zeit, um jeweils immer nur ein Thema aufzuarbeiten. Und geht daher viel Stärker in die Tiefe, als es andere Formate tun."

Dass dabei beispielsweise Europa als rein undemokratischer Lobbyverein dargestellt wird, ist für ihn kein Problem: "Dieses Europastück ist sehr aufklärerisch geschrieben." Das sieht Hilmar Klute ("SZ") anders: "Das ist die Vorstellung von der Regierung als Junta. Dem Parlament, auch gerade dem Europaparlament ja auch sehr gerne, als Versammlung von korrupten Taschenvollmachern, die da sitzen und Bananen krumm biegen und sich überlegen, welche Größe eine Glühbirne haben muss. Die blödesten Klischees. Es wird Parlamentarismus lächerlich gemacht, auf eine ganz blöde Weise."

Auch Satiriker machen Fehler

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Oliver Welke sieht das differenzierter: "Natürlich gibt es auch mal Momente vollkommen botschaftsloser Albernheit in der 'heute-show', die sind dann aber immer eine Humorfarbe und ein Element eingebettet in eine Strecke, die eine klare Geschichte erzählt. Ich weiß, es gibt dieses Vorurteil, dass wir uns ausschließlich an irgendwelchen Versprechern oder Missgeschicken abarbeiten. Das stimmt aber einfach nicht." So hätte die "heute-show" etwa das berühmte "Chlorhühnchen" sofort aus dem Programm genommen, nachdem klar war, dass selbiges niemals bei TTIP zur Debatte gestanden hat. "Wir machen dieselben Fehler, die Journalisten auch machen - wir sind Journalisten", sagt Andreas Lange von "extra3" dazu.

Sorgen die satirischen Verkürzungen nun aber dafür, dass Politiker immer wieder als Dummköpfe dastehen? "Das ist, glaube ich, beliebt, weil Satire heute auf sehr simple weise funktioniert. Weil es einen Überdruss gibt am politischen Establishment, an der Art und Weise, wie Politik repräsentiert wird in Deutschland", so Klute dazu. Oder wie Schriftsteller Robert Gernhardt einmal über den großen satirischen Vordenker Georg Christoph Lichtenberg sagte - er hat es geschafft, aus den Widersprüchen der Welt Honig zu ziehen und keine Galle. Eine Kunst.

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Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 28.09.2016 | 23:00 Uhr

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