Stand: 13.10.2016 06:00 Uhr

Die Medien und der Donald: Wer macht den Trump?

von Andrej Reisin
US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump bei der erste Präsidentschaftsdebatte in Hampstead im US-Bundesstaat New York © imago/UPI Photo Foto: UPI Photo
US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump ist für Schlagzeilen gut und bekam deutlich mehr Medienpräsenz als Mitbewerber.

Wer hat Schuld am politischen Aufstieg Donald Trumps? Ohne Zweifel spielen die Medien eine gewichtige Rolle, denn es ist kaum vorstellbar, dass der Immobilien-Tycoon ohne seine Rolle als TV-Star jemals die Chance gehabt hätte, die republikanische Kandidatur für die US-Präsidentschaft zu übernehmen. In Berlin diskutierten Experten aus Politik und Wissenschaft bei der 14. Internationalen Konferenz für Politische Kommunikation der Konrad-Adenauer-Stiftung unter anderem über den diesjährigen US-Wahlkampf.

Ron Nehring, einer der Wahlkampfmanager von Trumps parteiinternem Konkurrenten Ted Cruz, war sich sicher: Obwohl man selbst eine "nahezu perfekte" Kampagne gefahren habe, sei es praktisch unmöglich gewesen, gegen die mediale Omnipräsenz des New Yorker Großmauls anzukommen. Die Zahlen geben Nehring durchaus Recht: Laut "New York Times" vereinte Trump nahezu doppelt so viel unbezahlte Sendezeit auf sich wie alle anderen republikanischen Kandidaten im Vorwahlkampf zusammen. Der umgerechnete Gegenwert dieser unbezahlten Medienpräsenz in bezahlte Werbeminuten betrug demnach fast zwei Milliarden US-Dollar. Der zweitplatzierte Cruz kam nur auf 313 Millionen - gerade einmal rund 16 Prozent der Trump-Summe.

VIDEO: Donald Trump und die Medien (4 Min)

Die mediale Vernichtung des Gegners

In Deutschland in dieser Form undenkbar: das Wühlen im öffentlichen und privaten Leben gegnerischer Kandidaten. Jede Aussage in der der Vergangenheit wird überprüft: Ist der Gegner bei wichtigen politischen Fragen umgekippt? Hat er Wahlversprechen gebrochen? Prinzipien verletzt? Gerichtsprozesse geführt? Den Ehepartner betrogen? Mit einer Firma pleite gegangen? Strafrechtlich aufgefallen? "Opposition Research" nennt sich diese Methode, die der einflussreiche republikanische Stratege Joe Pounder im Saal ausführlich vorstellte. Während der Vorwahlen gehörte er zu Marco Rubios Team. Ein Interview geben wollte der Gegner-Ausforscher als einziger der angefragten Sprecher nicht - ein Schelm, wer darin die Geheimniskrämerei von Spionen wiederzuentdecken glaubt.

Teile des Publikums versetzte das Gehörte in sicht- und spürbare Unruhe, während Referent Pounder scherzte, er bekomme in aller Regel zwei Reaktionen. Entweder: "Oh, das ist großartig, das wollen wir auch." Oder: "Das wäre bei uns vermutlich illegal." Die Lacher hatte er damit auf seiner Seite - allerdings wären an diese Art von Politikverständnis durchaus kritische Fragen zu stellen: Zum Beispiel nämlich, ob genau diese Art der persönlichen Attacke, bei der letztlich die Person und nicht deren politische Argumente angegriffen werden, nicht erst dazu führt, dass ein Phänomen wie Donald Trump überhaupt möglich ist. Dass viele Medien dabei nur zu gerne die Rolle des Verstärkers solcher politisch gefärbter "Recherchen" spielen, steht auf einem anderen Blatt.

Datenbasierte Wahlkampf- und Medienstrategien

Für deutsche Verhältnisse ebenfalls atemberaubend ist der Einsatz von Big (und small) Data im amerikanischen Wahlkampf. Die Kampagnen der einzelnen Kandidaten werten Wahlregister aus und prüfen zum Beispiel, wer beim letzten Mal bei den republikanischen Vorwahlen mitgemacht hat. Diese Daten werden dann mit Social-Media-Profilen, Telefonnummern und angekauften Daten von Auskunfteien abgeglichen. So versucht man - Wahlbezirk für Wahlbezirk - zu ermitteln, wie die Chancen für den eigenen Kandidaten stehen, welche Themen vor Ort besonders relevant sind - und wen man unter Umständen sogar als Freiwilligen für die eigene Kampagne rekrutieren könnte. Dann werden gezielt Telefonate geführt, E-Mails verschickt und Wähler geworben. Jeder deutsche Datenschützer würde mit den Ohren schlackern - doch in den Vereinigten Staaten ist dieses Vorgehen völlig legal.

Bernie Sanders punktete mit Digital-Strategie

Der Präsidentsschaftskandidat Bernie Sanders bei einer Wahlveranstaltung in Iowa, USA. © dpa Foto: Facundo Arrizabalaga
Social-Media-Liebling: Bernie Sanders.

Ein deutlich optimistischeres Licht auf den Stand des politischen Diskurses im Social-Media-Zeitalter warf Scott Goodstein, der für die Digital-Strategie der Bernie-Sanders-Kampagne verantwortlich war. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe seiner Kandidatur war Sanders ein weitgehend unbekannter Senator, am Ende kam er Hillary Clinton gefährlich nahe. Da der "demokratische Sozialist" Sanders auf wenig bis gar keine Unterstützung durch Geld aus der Wirtschaft oder von der Wall Street setzen konnte - vom Establishment der demokratischen Partei ganz zu schweigen - warb sein Kampagnen-Team einen Großteil ihres Budgets bei jungen Spendern über digitale Kanäle ein.

Die Zahlen sind beeindruckend: Mehr als 2,4 Millionen Spender halfen Sanders 212 Millionen Dollar für die Kampagne einzunehmen, in etwa dieselbe Summe, die Clinton im Vorwahlkampf erreichte. Doch wären Clinton viel Geld bei Großspendern einsammelte, war der oder die durchschnittliche Unterstützer/in von Sanders gerade einmal 27 Jahre alt - und gab durchschnittlich 27 Dollar pro Spende - viele taten dies sogar mehrmals. Durch die Interaktion und die Bindung der Unterstützer auf allen Social-Media-Kanälen von Twitter über Facebook bis zu Instagram und Snapchat schaffte es die Kampagne, ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, das sich auch monetär und vor allem politisch auszahlte: Sanders gewann die Vorwahlen der Demokraten in 21 Staaten.

Die mediale und politische Zukunft ist digital

Goodstein glaubt daher nicht an die Erzählung, wonach die Medien Trump erst möglich gemacht haben. Er verweist stattdessen darauf, wie "meisterhaft" Trump mit Twitter spiele - wie er Tweets um drei Uhr morgens absetze, über die um sieben Uhr das ganze Land spräche. Diese Taktik sollte man laut Goodstein nicht hassen, sondern stattdessen Social Media als "eigenes Mikrofon" ernstnehmen. Man müsse nicht Trumps Botschaft haben, um zukünftig ähnliche Erfolge zu erzielen. Bernie Sanders hätte laut Goodstein vor "10-15 Jahren vermutlich keine Chance gehabt, die Menge an Leuten zu erreichen, ohne das Internet als Ressource nutzen zu können". Traditionelle Medien und teure TV-Spots werden dagegen laut Goodstein in Zukunft jedenfalls eine immer geringere Rolle spielen.

VIDEO: "Hört auf Donald Trumps Taktik zu hassen" (2 Min)

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 12.10.2016 | 23:20 Uhr

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