Stand: 13.01.2016 22:35 Uhr

Die Herkunft der Täter: Übergriffe in den Medien

Die Berichterstattung zu den Übergriffen der Kölner Silvesternacht wird heftig kritisiert: Journalisten hätten viel zu spät berichtet, weil die Täter Migranten gewesen seien, außerdem sei die Information, dass unter den Tätern auch Flüchtlinge waren, bewusst zurückgehalten worden. Die Kritik kommt diesmal nicht nur aus den Reihen der "üblichen Verdächtigen": Auch Teile der seriösen Medienkritik und viele Journalisten stimmen mit ein.

VIDEO: Herkunft von Tätern: Übergriffe in Medien (6 Min)

Informationen unterdrücken ist schwer

Der Publizist Jan Fleischhauer. © NDR
Glaubt nicht an das "Schweigekartell": Spiegel Online Kolumnist Jan Fleischhauer.

Aber stimmt es, dass Medien Meldungen verschwiegen haben? Der "Spiegel Online"-Kolumnist Jan Fleischhauer hält das für nicht sehr plausibel: "Das setzt ja voraus, dass die Information, die sie nicht geben wollen, dann auf geheimnisvolle Art verschwindet. Und das kann gelingen, aber unter den Bedingungen einer Demokratie, einer Mediendemokratie ist das eher ein ziemlich ambitioniertes Unterfangen. Die Sachen kommen ja raus."

Und dafür, so Daniel Bax von der "taz", müssten Medien erst einmal recherchieren, dabei ihren Lesern aber auch klar machen, warum sie für manche Dinge etwas länger brauchten. Im Fall Köln berichteten Lokalmedien bereits am 1. Januar aufgrund von Hinweisen aus der Leserschaft - entgegen der polizeilichen Darstellung von "weitgehend friedlichen Feiern". "Aber", sagt der Chefredakteur des "Kölner Stadt-Anzeigers", Peter Pauls, "es waren keine Berichte, die auf die wahre Dimension schließen ließen. Die ergab sich erst durch Schilderungen von Zeugen und Betroffenen im Internet. Es kam erschwerend hinzu, dass die Polizei für uns kein Partner war, sondern wir sie eher als Gegner empfinden mussten."

Keine Angaben zur Herkunft der Täter?

Zahlreiche Menschen stehen in der Silvesternacht auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs in Köln. © dpa Bildfunk Foto: Markus Boehm
Zu spät? Zu langsam? Zu vorsichtig? Wie berichteten Medien über die Ereignisse von Köln?

Selbst die Deutsche Presseagentur (dpa) verschickte erst am Samstagabend eine erste Meldung über ihren Ticker. Dort ist zunächst nur von 30 Betroffenen die Rede. Zur Herkunft der Täter keine Angaben. Überregionale Medien berichteten erst am Montag, also drei Tage nach der Silvesternacht. Auch das WDR-Fernsehen machte die Ereignisse erst dann zum Thema. Das ZDF versäumt in seinen "Heute"-Hauptnachrichten um 19:00 Uhr sogar das, muss sich am Tag danach auf Facebook bei seinen Zuschauern dafür entschuldigen. Es war das Neujahrswochenende, aber im Zeitalter sozialer Netzwerke ist das gefühlt für viele zu spät. Seitdem wird diskutiert, ob und wann Medien die Herkunft von Tätern nennen sollten oder gar müssen.

Eigentlich heißt es dazu im Pressekodex, Ziffer 12: "In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht." Bindend ist das jedoch nicht. Im Fall Köln wurde die Frage nach der Herkunft der Täter den Medien geradezu aufgenötigt.

Das sogenannte "Schweigekartel"

Alternativmedien im Netz
Fühlen sich nach Köln bestätigt: Die Gegner der "Lügenpresse".

Diejenigen, die den etablierten Medien ohnehin skeptisch bis kritisch gegenüberstehen, fühlen sich für dumm verkauft, weil angeblich Ross und Reiter nicht genannt würden. Unterstützung bekommen sie nun auch von Teilen der Politik, so zum Beispiel von Ex-Innenminister Hans Peter Friedrich. Der CSU-Politiker sprach im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Kölner Silvesternacht von einem "Schweigekartell".

Es ist die Dynamik der Sozialen Medien, die Journalisten und bisweilen auch Politiker vor sich hertreibt. Bei manchen etablierten Medien führt das dazu, dass sie meinen, sie müssten die populistischen Nachrichtenseiten rechts überholen. Für Journalisten ein Dilemma: Nennen sie gewisse Informationen nicht, steht wieder der Vorwurf der Lügenpresse im Raum. Nennen sie sie doch, verstoßen sie möglicherweise gegen die eigenen Prinzipien, auf die sie sich mal geeinigt haben. Der Fall Köln zeigt, wie wichtig es ist, dass Journalisten sich an handwerklichen Grundregeln orientieren und sich nicht von Stimmungen im Netz treiben lassen.

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Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 13.01.2016 | 23:40 Uhr

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