Stand: 01.04.2014 15:09 Uhr

Vermisstenmeldungen im NWDR

DRk Suchdienst: Nachforschungsbestand zu Vermissten des Zweiten Weltkrieges
Im Mai 1945 war jeder Vierte in Deutschland ein Suchender oder ein Gesuchter.

Auch in der sowjetischen Besatzungszone wurden Suchmeldungen über den Rundfunk verbreitet. Täglich von 8.05 Uhr bis 8.35 Uhr gab es die Sendungen des "Suchdienstes für vermisste Deutsche", "in denen ausschließlich Namen von Angehörigen durchgegeben werden, sowie Namen von Personen, für die Kriegsgefangenenpost beim 'Suchdienst' lagert", wie in der zeitgenössischen Rundfunkpresse berichtet wurde.

Diese Suchmeldungen waren Teil einer ganzen Reihe von Grußsendungen des Berliner Rundfunks, wie der Rundfunkhistoriker Jörg-Uwe Fischer recherchiert hat. Mit den Grußbotschaften konnten die Heimkehrer Grüße an ihre Angehörigen schicken und umgekehrt Angehörige die Insassen des Lagers in Frankfurt an der Oder grüßen. Mitunter sprachen die Personen ihre Grüße selbst in das Mikrophon des Senders.

Der Begleiter durch den Alltag

Eine Mitarbeiterin des DRK-Suchdienstes München schaut in einen Karteikasten
Fast jede zweite deutsche Familie suchte nach Ende des Zweiten Weltkriegs nach Angehörigen.

Darüber hinaus waren die Suchsendungen eingebettet in die Strategie der Rundfunkverantwortlichen, das Radio als Begleiter im Alltag und Anwalt für Sorgen und Nöte zu etablieren. Menschlich anrührende Schicksale kommen in den Manuskripten der Sendereihe "Sie fragen - wir antworten" zu Tage. Etwa wenn im November 1947 eine Frau aus Hettstedt im Südharz das Schicksal ihres Mannes schildert und am Ende schreibt: "Wir haben fast keine Hoffnung mehr und wenden uns mit der Bitte um Aufklärung an Dich, lieber Rundfunk, und danken im Voraus schon für die Mühe". Oder wenn der Berliner Rundfunk in seiner Sendung vom 26. Mai 1948 Frau Gisela Hartmann antwortet, dass dank der Arbeit des Suchdienstes nur noch fünf bis sechs Prozent aller Heimkehrer im Lager in Frankfurt an der Oder ohne Verbindung mit Angehörigen sind.

Spezielle Such-Sendungen

An den Rundfunksendern in Deutschland richtete man spezielle Such-Sendungen ein. So suchte der UNRRA-Suchdienst - eine Aktion der United Nations Relief and Rehabilitation Administration - 1945/46 speziell nach Angehörigen der Vereinten Nationen, nach Zwangsverschleppten und politisch Verfolgten.

Beim NWDR gab es seit Dezember 1945 einen eigenen "Suchdienst für internierte deutsche Soldaten in Deutschland" und vom 19. Mai 1948 an unterstützten die Rundfunk-Verantwortlichen die Suchdienst-Zonenzentrale in Hamburg, indem man täglich um 17 Uhr zehn Minuten lang "Suchmeldungen für heimatlose Heimkehrer" ausstrahlte. Auch hier bewährte sich die Zusammenarbeit mit dem DRK: "Wenn alle internen Möglichkeiten des Suchdienstes [des DRK] erschöpft sind, werden die Namen der heimatlosen Ostheimkehrer dem Rundfunk übergeben", meldete der Hamburger Sender und bilanzierte im August 1948 eine über 50-prozentige Erfolgsquote: Von 2.148 verlesenen Suchanträgen konnten 1.088 Heimkehrer "dank dieser Rundfunkdurchsagen mit ihren Angehörigen wieder in Verbindung gebracht werden". Eine beeindruckende Erfolgsquote.

Kinder finden ihre Eltern wieder

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Die Startseite des DRK-Suchdienstes

Kinder suchen ihre Eltern

In Hamburg werden noch 25.000 Kinder von ihren Eltern gesucht: Pressemitteilung von 1954 über den Hamburger Kindersuchdienst. Download (307 KB)

Ganz besonders einprägsam aber war der Kindersuchdienst, den der NWDR 1946 startete. Der NDR strahlte ihn bis in die 1960er-Jahre täglich von 13.50 Uhr bis 14.00 Uhr auf seiner Mittelwelle aus. Einem Schreiben von NWDR-Generaldirektor Adolf Grimme aus dem Jahr 1951, das im Suchdienstarchiv des DRK in München erhalten ist, kann man die vertragliche Basis der Kooperation zwischen Rundfunk und DRK entnehmen. Demnach sendete der NWDR die vom DRK zusammengestellten Suchmeldungen selbstverständlich kostenlos. Doch nicht nur das, er förderte darüber hinaus seinerseits die Arbeit des Kindersuchdienstes finanziell. Entsprechend groß war die Dankbarkeit, die der Suchdienst Hamburg zum Ausdruck brachte.

Die Zusammenarbeit des DRK-Kindersuchdienstes Hamburg mit den westdeutschen Rundfunkanstalten hatte großen Erfolg. Bis Anfang 1952 konnten, so verkündete man, insgesamt 67.946 Kinder wieder mit ihren Eltern zusammengeführt werden.

Die Suche wird aufs Fernsehen ausgeweitet

Zuletzt kam noch eine Initiative aus dem Norden. Seit 1953 sendete auch das Fernsehen des NWDR Kindersuchsendungen. Das neue Medium machte es möglich, Fotos von den Kindern zu zeigen, die durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse von ihren Familien getrennt wurden und damals zu klein waren, um ihren Namen zu nennen.

Was als Aktion der Nachkriegsjahre begann, ist bis heute nicht abgeschlossen. Die Arbeit des DRK-Suchdienstes geht weiter. Noch immer versuchen Angehörige, nach Jahrzehnten Aufschluss über Vermisste und Verschollene zu erhalten, und noch immer verursachen kriegerische Ereignisse, dass Menschen auf der Suche nach Informationen über das Schicksal von Betroffenen sind.

Der Artikel ist Teil des Beitrags über die Geschichte der Radiomeldungen, den Sie im 2013 bei der Bundeszentrale für politische Bildung erschienenen Band "Sound des Jahrhunderts. Geräusche, Töne, Stimmen. 1889 bis heute" finden.

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