Professor Lars Kutzbach (M.) vom Institut für Bodenkunde der Universität Hamburg untersucht mit Studenten Böden zwischen Apfelbäumen in Klein Hove im Alten Land. © Jenny Witt / NDR
Professor Lars Kutzbach (M.) vom Institut für Bodenkunde der Universität Hamburg untersucht mit Studenten Böden zwischen Apfelbäumen in Klein Hove im Alten Land. © Jenny Witt / NDR
Professor Lars Kutzbach (M.) vom Institut für Bodenkunde der Universität Hamburg untersucht mit Studenten Böden zwischen Apfelbäumen in Klein Hove im Alten Land. © Jenny Witt / NDR
AUDIO: Bodenforschung: Wissenschaft trifft Bauernwissen (6 Min)

Altes Land: Forschende und Obstbauern heben Datenschatz im Boden

Stand: 12.05.2024 13:12 Uhr

Im Alten Land wollen Landwirte und Forschende die Böden in den Obstplantagen gemeinsam analysieren und verbessern. Die Hamburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler finden heraus, wie unterschiedliche Anbaumethoden den Boden beeinflussen, die Obstbauern erhalten genaue Daten über ihre Böden.

von Jenny Witt

Der Bodenkundler Lars Kutzbach und sein Team sitzen an - und in - einer 80 Zentimeter tiefen Grube inmitten von blühenden Apfelbäumen. Sie nehmen Erdklumpen in die Hände, kneten, zerkrümeln sie und beschreiben ihre Bestandteile bis ins kleinste Detail. In diesem Fall sind es Polyeder, also Bodenklümpchen mit klar definierten Kanten und Seiten. Sie sind ein Zeichen toniger Erde. Mal sind die herausgestochenen Proben so fest und glatt wie Ton zum Töpfern, mal auch etwas lockerer, mit vielen Regenwurmlöchern.

"Was wir gelernt haben ist, dass wir tatsächlich noch nicht so viel über diese Böden wissen, wie wir gedacht haben", sagt Kutzbach, Professor für Böden im Klimasystem an der Universität Hamburg. "Man denkt ja, es könnte alles gleich sein, diese flache Marsch. Aber die kleinräumige Varianz ist enorm."

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Mehr Humus, mehr Klimaschutz: Obstbauern nutzen Laborergebnisse

Das Besondere an diesem Projekt: Die Forschenden wollen nicht nur gemeinsam mit den Landwirten die Böden analysieren, sondern die Daten sollen auch zu den Obstbauern zurückfließen. So könnten sie die Laborergebnisse nutzen, um ihre Böden zu verbessern und den Humusanteil zu erhöhen. Denn einerseits macht Humus die Erde fruchtbarer, vor allem ist er aber ein exzellenter Kohlenstoffspeicher und daher wichtig für den Klimaschutz. Wie viel davon in den Böden der einzelnen Obstplantagen vorhanden ist, hängt zum Beispiel davon ab, ob organischer Dünger eingesetzt wird. Dieser wird von Mikroorganismen verarbeitet und erzeugt so neuen Humus.

Bauernwissen und ein Datenschatz

Der Biobauer Dierk Augustin aus Klein Hove, auf dessen Land Lars Kutzbach und seine Studierenden graben, ist der erste, der sich dem Projekt angeschlossen hat. Sein Hof ist seit mehr als 300 Jahren im Familienbesitz.

Bio-Obstbauer Dierk Augustin vor seinem Haus in Klein Hove im Alten Land. © Jenny Witt / NDR
Freut sich über einen Datenschatz zu seinem Boden: Bio-Obstbauer Dierk Augustin.

"Hier bin ich groß geworden und mit dieser Erde habe ich mich die letzten 20, 25 Jahre intensiv beschäftigt", sagt Augustin. "Das Bauernwissen, das ist viel Intuition. Aber das ist nicht griffig. Jetzt brauchen wir Zahlen." Das Projekt von Lars Kutzbach bietet für ihn darum einen Schatz an Informationen und Daten. "Und diese Fragen, die wir haben, da stelle ich auf einmal fest, dass das auch seine Fragen sind! Wie viele Mikroorganismen sind da drin? Wie viel Kohlenstoff ist da drin?"

Gerade diesen Wissenstransfer findet Kutzbach vom Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS extrem wichtig. Er arbeitet im Projekt mit Simone Rödder, Professorin für Soziologie an der Universität Hamburg, und ihrem Kollegen Hauke Feddersen. Der organisiert einen Workshop im Juni, um mehr Landwirte ins Projekt einzuladen. "Genau das ist das Schöne an dem Transdisziplinären", sagt er. "Dass man nicht einfach sagt 'Die Wissenschaft weiß und die Landwirte sollen machen', sondern dass wir zusammenkommen und versuchen, voneinander zu lernen."

Wissenstransfer auf Obsthof in Klein Hove

Das Projekt ist auch eine Chance für Kutzbachs Studierende, das Gelernte in die Praxis umzusetzen. Unter ihnen ist Alina Koch aus Kiel, die auf ihre Masterarbeit hinarbeitet. Sie schätzt die Gelegenheit sehr: "Die Professoren, die können uns ganz viel darüber erzählen, was ein Feinboden ist, was das für ein Gefüge ist - aber wenn man es nicht selber mal in der Hand hatte, zwischen den Fingern hatte, dann kann man sich wenig darunter vorstellen", sagt sie. So bündeln sich gerade Forschung, Lehre und Wissenstransfer auf dem Obsthof in Klein Hove.

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Smartphone-Bodenanalyse für Landwirte

Momentan nimmt das Projektteam noch die Bodenproben für die Laboranalyse. Aber langfristig könnten die Obstbauern und -bäuerinnen selbst mit Spaten und Handy die Forschung vorantreiben. Denn die Farbe der angestochenen oberen Erdschicht sagt schon viel über den Humusanteil aus. Von den Landwirten gelieferte Smartphone-Fotos dieser Schicht würden dann mit einem algorithmenbasierten System ausgewertet. So gäbe es auch weniger Bedarf für kostspielige Laboranalysen.

Obstanbau-Real-Labor - wichtige Ansätze für die Zukunft

Falls sich genügend Landwirte beteiligen, entstünde eine stetig wachsende Datenbank für die nachhaltige Nutzung der Böden in dieser Region. Das Esteburg Obstbauzentrum ist schon an Bord, die Hamburger Behörde für Umwelt, Klima und Agrarwirtschaft ebenso. Der Soziologe Hauke Feddersen ist überzeugt, dass der Austausch zwischen den Bauern und den Bodenkundlern wichtige Ansätze für die Zukunft hervorbringen wird: "Viele Landwirte wissen, dass sie sich jetzt anpassen müssen. Aus Klimawandelgründen, aus Biodiversitätsgründen, aber auch aus gesellschaftlichen Ansprüchen. Und die sind natürlich interessiert an Lösungen. Da finde ich es spannend, zu sehen, was für Lösungsvorschläge kommen eigentlich aus der Praxis, wo könnte es denn in Zukunft hingehen?"

Obstbauer Augustin ist sicher, dass sich die gemeinsame Forschung und der Fokus auf gesündere Böden auszahlen werden: "Ich glaube, dass die Bereitschaft der Bauern hoch ist. Wenn man Ihnen das auch noch nahelegt, was das ihnen selbst und der Natur bringt, dann wären sie dafür offen."

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Wissen | 07.05.2024 | 07:52 Uhr

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