Eine ältere Frau sitzt am Strand und meditiert. © picture alliance / Zoonar | Channel Partners Foto: picture alliance / Zoonar | Channel Partners
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AUDIO: Unsterblichkeit: unendlich langes Leben, unendlich langweilig? (7 Min)

Unsterblichkeit: Ist ein unendliches Leben unendlich langweilig?

Stand: 02.05.2024 20:57 Uhr

Die ewige Jugend, nicht zu altern, sogar jünger werden - das ewige Leben ist ein Menschheitstraum. Auch die Philosophie beschäftigt sich mit diesen Gedanken. NDR Kultur hat mit Martin Booms, Professor für Philosophie an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter, über die Grenzen dieses Traumes gesprochen.

Herr Booms, das ewige Leben: Ist das ein Traum oder ein Albtraum?

Martin Booms: Ich glaube, man muss darüber nachdenken, ob es grundsätzlich sinnvoll ist, diese natürliche Altersschwelle überwinden zu wollen. Es hängt davon ab, was man vom Leben erwartet. Geistesgeschichtlich haben diese Versuche, die Schwelle des Todes nach hinten zu schieben oder zu überwinden, in der Neuzeit angefangen, als das christliche Weltbild verblasst ist. Man hatte auf einmal die Befürchtung, dieses irdische Leben könnte alles sein. Da kam der Gedanke auf, das Leben möglichst lang zu machen. Wir müssen überlegen, ob das wirklich sinnvoll ist. Die Endlichkeit des Menschen ist ein wichtiger, elementarer Bestandteil unseres Menschseins. Wer diese Bedingung aufhebt, hebt möglicherweise auch die Menschlichkeit selber mit auf.

Sie haben mal einen Vortrag gehalten: "Leben in Unsterblichkeit, unendlich lange, unendlich langweilig. Warum?

Booms: Die Frage ist doch: Wie viele Möglichkeiten, unser Leben zu gestalten, haben wir? Und sind diese Möglichkeiten begrenzt? Man geht intuitiv davon aus: Es gibt so viele Dinge, die man machen könnte, da wird mir schon nicht langweilig werden. Da finde ich einfach was Neues. Ich glaube aber, wir können uns nicht ständig komplett neu erfinden. Was uns ausmacht als bestimmte Personen, das sind bestimmte Neigungen, bestimmte Interessen und Leidenschaften. Da kommt eben nur ein bestimmtes Spektrum an Dingen für uns in Frage. Wenn ich das jetzt in die Unendlichkeit verlängere, dann werde ich irgendwann in die Wiederholung kommen. Es wird zu einer Lebensmüdigkeit im Wortsinn kommen und deswegen würde ich diese Versuche auch sehr skeptisch sehen.

Es muss ja nicht gleich unendlich sein, aber vielleicht ein bisschen länger. Wir haben so bestimmte Zeitmarken. Wenn einer mit 50 stirbt, sagen wir, das war wirklich viel zu früh. Wenn einer mit Mitte 80 stirbt, ist das irgendwie normal. Aber wenn einer 100 ist und am besten noch fit ist, dann blickt man mit Respekt und Bewunderung darauf. Wäre es nicht aber schön, wir könnten alle 100 werden und hätten richtig viel Zeit, noch tolle Dinge zu machen?

Booms: Tatsächlich ist es ja so, dass wir in gewisser Weise die Lebensgrenze schon ausgedehnt haben, nämlich durch den medizinischen Fortschritt. Wenn man sich anschaut, wie die durchschnittliche Lebenserwartung heute ist - zumindest in den entwickelten Ländern - und noch vor 50 oder 100 Jahren, dann sind wir ja schon ein ganzes Stück weitergekommen. Das ist sicherlich auch zu begrüßen. Ich glaube, der entscheidende Punkt ist: Wo ist die Grenze zwischen der Bekämpfung von Krankheiten und von Leid verursachenden Verschleißerscheinungen? Und wo überwinden wir - oder versuchen es zumindest - grundsätzlich, die Conditio humana, die menschliche Grundverfasstheit? Dass wir versuchen, Krankheiten und Ähnliches medizinisch in den Griff zu bekommen, ist gut. Wenn darüber dann auch eine Verlängerung der Lebensspanne erfolgt, ist das auch gut. Sobald wir aber grundsätzlich die Bedingungen aufheben, unter denen wir überhaupt Mensch sein können, wird eine Grenze überschritten und da wäre ich sehr vorsichtig.

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Sie haben eben schon die christlichen Vorstellungen angesprochen - zum Beispiel "Hölle" oder das "Jenseits". In anderen Religionen gibt es die "Wiedergeburt". Fast in allen Religionen ist es mit dem Tod nicht zu Ende. Das nehmen wir als so selbstverständlich hin. Warum ist das so?

Booms: Natürlich ist es so, dass die Angst vor dem Tod immer bestanden hat. Seitdem Menschen über ihre eigene Endlichkeit reflektieren können - seit dieser Zeit ist natürlich die Angst vor dem Tod da. Das macht auch das Mensch sein übrigens wesentlich aus und unterscheidet es vielleicht auch von einem tierischen Dasein. Die Frage ist nur: Welche Bedeutung hat das Bewusstsein unserer Endlichkeit? Martin Heidegger etwa hat sich stark dafür gemacht, zu sagen: Wir sollten nicht versuchen, das zu verdrängen oder sozusagen Exitstrategien weg vom Tod zu wählen, sondern nur wenn wir uns dem stellen, dann können wir auch wirklich bestimmt leben. Ich glaube, da ist was dran. Hätten wir die Perspektive, alles immer noch mal versuchen zu können, müssten wir uns nie endgültig für irgendwas entscheiden. Wir würden wahrscheinlich überhaupt kein Leben mehr führen mit bestimmten Entscheidungen, zu sagen: Diesen Weg gehe ich jetzt, weil ich weiß, ich kann bestimmte Sachen nicht korrigieren. Das ist ganz elementar. Deswegen glaube ich, wir müssen uns Gedanken machen, wie wir mit der natürlichen Angst vor dem Tod umgehen. Es ist nicht selbstverständlich, darauf zu reagieren, zu sagen: Wir versuchen das für immer wegzubekommen. Wir versuchen, den Tod abzuschaffen.

Was kann denn jetzt jeder von uns aus diesen ganzen Gedanken, die wir besprochen haben, für die Praxis mitnehmen, um gut durchs Leben zu gehen?

Booms: Ich glaube tatsächlich, die wesentliche Funktion des Nachdenkens über den Tod - wie wir damit umgehen, auch mit den medizinischen, mit den technischen Möglichkeiten - die wesentliche Funktion ist, dass wir über unser Leben nachdenken. Alle Überlegungen über den Tod, die es ja in allen Kulturen immer gegeben hat, sind eigentlich Spiegelbilder von Lebenseinstellungen. Wie wir über den Tod denken, sagt das ganz viel aus über unsere Lebenseinstellung. Ich glaube, wenn wir das nutzen zu sagen: Weil wir endlich sind, sollten wir genauer überlegen wie wir leben. Wie gehen wir denn um mit der Zeit, die uns gegeben ist und die eben nicht unendlich ist? Dann wird aus den Überlegungen zum Tod etwas Fruchtbares für das Leben.

Das Gespräch führte Jan Wiedemann.

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